Vor Parlamentswahl im Herbst Hunderttausende protestieren gegen polnische Regierung
In Polen folgen viele Menschen dem Aufruf der Opposition zum Protest gegen die Regierung. Anlass ist ein Gesetzentwurf, der massive Auswirkungen haben könnte auf die Parlamentswahl im Herbst.
In Polen sind Hunderttausende Menschen gegen die Politik der nationalkonservativen Regierungspartei PiS auf die Straße gegangen. Die Organisatoren sprachen von der größten Demonstration seit dem Sturz des Kommunismus im Jahr 1989. Ein Sprecher der Veranstalter bezifferte unter Berufung auf Angaben der Stadtverwaltung die Teilnehmerzahl auf eine halbe Million. Das Nachrichtenportal Onet meldete mindestens 300.000 Teilnehmer am Höhepunkt des Marsches.
Dichtgedrängt zogen die Teilnehmer des Protestmarsches durch das Zentrum von Warschau. Die Demonstranten trugen Plakate mit der Aufschrift "Europa, wir entschuldigen uns für die PiS", "Abrakadabra - weg ist das PiS-Makaber" und "PiS ins Pissoir". An der Demonstration nahm auch der Friedensnobelpreisträger und einstige Chef der Gewerkschaft Solidarnosc, Lech Walesa, teil.
In Warschau nehmen auch Oppositionsführer Tusk und der frühere Gewerkschaftsvorsitzende Walesa an der Demonstration gegen die Regierung teil.
Erinnerung an Demokratiebewegung 1989
Zu dem Protest hatte der frühere Regierungschef und Oppositionsführer Donald Tusk von der liberalkonservativen Bürgerplattform aufgerufen. Aber auch andere Oppositionsparteien schlossen sich an.
Der 4. Juni ist in Polen ein wichtiges Datum: 1989 fanden an diesem Tag die ersten teilweise freien Wahlen statt - ein Triumph der Demokratiebewegung und der Gewerkschaft Solidarnosc, der zugleich das Ende der kommunistischen Herrschaft einleitete. "Wir sind heute hier, damit ganz Polen, ganz Europa, die ganze Welt sehen kann, wie stark wir sind, wie viele von uns bereit sind, für Freiheit und Demokratie zu kämpfen, so wie vor 30 und vor 40 Jahren", sagte Tusk vor den Demonstranten.
Widerstand gegen "Lex Tusk"
Der Protest richtet sich auch gegen ein neues Gesetz, das die Einsetzung einer Untersuchungskommission zur russischen Einflussnahme vorsieht. Die Kommission soll prüfen, ob Amtsträger in den Jahren 2007 bis 2022 unter dem Einfluss Russlands Entscheidungen getroffen haben, die Polens Sicherheit gefährden. Das Gesetz sieht unter anderem die Möglichkeit vor, Betroffene zehn Jahre lang von öffentlichen Ämtern und vom Zugang zu staatlichen Mitteln auszusperren.
Kritiker werfen der PiS vor, sie wolle mit diesem Gesetz wenige Monate vor der Parlamentswahl gegen Oppositionspolitiker wegen angeblicher Russlandfreundlichkeit vorgehen. Polnische Medien sprechen von einer "Lex Tusk" - einem auf Tusk gemünzten Gesetz. Denn es scheint wie maßgeschneidert, um Tusk im Wahlkampf zu diskreditieren oder sogar aus dem politischen Leben zu verbannen.
Der Danziger war von 2007 bis 2014 polnischer Regierungschef und gilt als schärfster politischer Gegner von PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski. Die PiS-Regierung wirft ihm vor, er habe unvorteilhafte Gasverträge mit Russland abgeschlossen.