Polen EU und USA besorgt über Mediengesetz
Der Umgang der polnischen Regierung mit den Medien sorgt immer wieder für Streit mit der EU. Nach der Billigung des neuen Mediengesetzes durch das Parlament droht die Kommission nun mit Konsequenzen. Kritik kommt auch aus den USA.
Die EU und die USA haben sich besorgt über die Verabschiedung des umstrittenen Mediengesetzes in Polen gezeigt. Die EU-Kommission erklärte, das Vorhaben zeige erneut die Einstellung Polens zu demokratischen Werten und den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit. "Sobald das Gesetz in Kraft tritt und nicht mit EU-Regeln konform ist, wird die Kommission nicht zögern, zu handeln", teilte Vize-Präsidentin Vera Jourova mit. Die EU wirft Polen seit Längerem vor, demokratische Rechte und EU-Regeln zu verletzen.
Die USA riefen Polens Präsident Andrzej Duda auf, die Meinungsfreiheit und die Unabhängigkeit wirtschaftlicher Aktivitäten zu wahren. Die Vereinigten Staaten seien sehr beunruhigt über das Gesetz, dass nicht nur Meinungs- und Pressefreiheit zu unterwandern drohe, sondern auch das Vertrauen ausländischer Investoren in die Vertragstreue Polens, teilte ein Sprecher des Außenministeriums mit.
Der regierungskritische Nachrichtensender TVN24 in US-Besitz sprach in einem Statement von einem beispiellosen Anschlag auf die freien Medien. Die Aktion des Parlaments richte sich gegen den größten und wichtigsten Verbündeten Polens, die USA.
Kritik von der Opposition
Auch in Polen selbst stößt das Gesetzesvorhaben auf Widerstand. Oppositionspolitiker kritisierten das kurzfristige Vorgehen der Regierungskoalition um die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) als Verstoß gegen Gesetze und demokratische Standards. Die Verabschiedung des Vorhabens war am Freitag kurzfristig auf die Tagesordnung gesetzt worden - nachdem der von der Opposition dominierte Senat, die zweite Kammer des Parlaments, sich im September gegen das Gesetz ausgesprochen hatte.
Medienexperte Tadeusz Kowalski kommentierte: "Ich bin nicht besonders überrascht über die Situation, denn Sejmmarschall Terlecki hat einmal angedeutet, man werde das Gesetz irgendwann überraschend wieder herausholen, und so kam es. Vielleicht hat PiS festgestellt, sie hat gerade im Moment eine Mehrheit, und hat sich deswegen für eine plötzliche Beschleunigung entschieden."
Verstoß gegen Verfahrensregeln
Es ging so schnell, dass der zuständige Parlaments-Ausschuss nur Minuten vorher einberufen wurde. Das ist ein Verstoß gegen die Verfahrensregeln, so die Opposition. Zuletzt prekäre Mehrheitsverhältnisse umschiffte PiS bei ihrer Hauruckaktion einmal mehr mit Stimmen aus dem Lager von Pawel Kukiz. Die Gruppe des einst als Anti-Politiker auftretenden früheren Rockmusikers fungiert seit einiger Zeit als Mehrheitsbeschaffer für PiS, auch diesmal stimmte Kukiz wieder zu. Die Regierungspartei geht damit ein hohes Risiko ein: Es sich nach dem Ärger mit der EU nun auch noch mit den USA zu verscherzen. "Medien, die Propagandalautsprecher der Regierenden sind, sind ein Weg ins Nirgendwo. Und nun eröffnen wir auch noch eine Front gegen Amerika, was ich überhaupt nicht verstehe", sagte Senatsmarschall Thomas Grodzki von der oppositionellen Bürgerplattform.
Die konsequent regierungskritische Berichterstattung von TVN, dessen Abendnachrichtensendung "Fakty" polnischer Reichweiten-König ist, verärgert PiS-Politiker regelmäßig. Bartosz Wielinski von der ebenfalls regierungskritischen Zeitung "Gazeta Wyborcza" sagte auf TVN: "All diese schrecklichen Nachrichten würden jede andere Regierung in jedem normalen Land versenken, hier aber provozieren sie eine Gegenoffensive."
Präsident kann Gesetz per Veto stoppen
Die Entscheidung über das Gesetz liegt nun bei Präsident Andrzej Duda. Dieser hatte angedeutet, dass er das Gesetz per Veto stoppen könnte. Das Gesetz sieht vor, dass künftig in Polen Rundfunklizenzen nur noch dann an Ausländer vergeben werden dürfen, wenn diese "ihre Zentrale oder ihren Wohnsitz im Bereich des Europäischen Wirtschaftsraums haben". Zusätzlich gilt die Bedingung, dass der Lizenznehmer nicht von jemandem abhängig sein darf, der Zentrale oder Wohnsitz außerhalb dieses Wirtschaftsraums hat.
Durch das Gesetz würde es Unternehmen außerhalb Europas verboten, mehr als 49 Prozent an polnischen Medienunternehmen zu besitzen. Damit wäre der TVN24-Mutterkonzern "Discovery" gezwungen, die Mehrheit seiner Anteile an dem Sender zu verkaufen.
Mit Informationen von Jan Pallokat, ARD-Studio Warschau