Orthodoxe Kirche Warum die Ukrainer zweimal Weihnachten feiern
Die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche hat sich vom Moskauer Patriarchat losgesagt, doch noch immer wird ihr Nähe zu Russland vorgeworfen. Viele Menschen wollen nun mit der Tradition brechen und Weihnachten auch im Dezember feiern.
Heute wird in der Ukraine zum zweiten Mal orthodoxe Weihnachten gefeiert. Denn es gibt zwei orthodoxe Kirchen im Land: Die 2018 neu gebildete Orthodoxe Kirche in der Ukraine (OKU) begeht Weihnachten nach dem gregorianischen Kalender am 25. Dezember. Die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche (UOK) feiert Weihnachten weiter nach dem julianischen Kalender am 7. Januar so wie in Russland.
Bis zum russischen Großangriff unterstand die UOK dem Moskauer Patriarchat. Erst im Mai 2022 sagte sie sich offiziell von Moskau los, drei Monate nach der großen Invasion.
Ermittlungen gegen UOK-Vertreter wegen Spionage
Russische Propaganda in Kirchen der UOK hat damit nicht aufgehört - im Gegenteil. Der ukrainische Geheimdienst SBU und die Staatsanwaltschaft ermitteln gegen zahlreiche UOK-Priester, unter anderem wegen Spionage für Russland oder wegen Rechtfertigens des russischen Angriffskriegs.
Letzteres wird auch dem Abt des berühmten Kiewer Höhlenklosters Metropolit Pawlo vorgeworfen. Er steht seit mehreren Monaten unter Hausarrest. Präsident Wolodymyr Selenskyj würde die UOK gerne verbieten lassen. Doch das ist verfassungsrechtlich problematisch, sagen Experten.
Russische Propaganda in der Kirche
Auch in Gottesdiensten des Kiewer Pokrovsky Holosiivsky Klosters bekommen die Gläubigen offenbar Moskauer Propaganda zu hören. Einer der Mönche meint, am 7. Januar werde die Kirche voll sein. Die Weihnachtsbotschaft für die Gläubigen beschreibt er so: "Wir beten, dass Gott den Menschen unseren Präsidenten und unsere Abgeordneten verstehen lässt, dass sie den Krieg mit einem Abkommen beenden. Sie sollen sich an den Verhandlungstisch setzen."
Für Gespräche mit Russland hat die ukrainische Führung eine sogenannte Friedensformel und Vorbedingungen formuliert. Dazu gehört unter anderem der Abzug aller russischen Truppen aus dem Land. Moskau möchte gar nicht verhandeln, sondern überzieht die Ukraine seit fast zwei Jahren mit Raketen, Drohnen, Artillerie, Besatzung und Annexion.
"Die USA und Europa erlauben Präsident Selenskyj nichts und die Menschen verstehen das sehr gut", meint der orthodoxe UOK-Mönch. Der Westen sei schuld am Krieg und Selenksyj nur dessen Marionette, so lautet die unverhüllte und typisch russische Propaganda des Kirchenmannes.
UOK gibt sich längst unabhängig von Moskau
Im Gottesdienst müssen Mobiltelefone ausgeschaltet werden. Es gebe nur die Verbindung zu Gott, steht auf Ukrainisch am weihnachtlich geschmückten Eingang der Klosterkirche. Ein weiteres Schild ist im kirchenslawischen Stil geschrieben und warnt: Handys, die klingeln, könnten weggenommen und in Weihwasser geworfen werden.
"Dass ich zum Gottesdienst ins Kyjwer Pokrovsky Holosiivsky Kloster komme, hat sich einfach so ergeben", sagt Svetlana, die gerade aus der Kirche kommt. Den Gottesdienst auf Altkirchenslawisch verstehe sie nicht, aber sie liebe die spirituelle Energie des Ortes. Dass die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche noch dem Moskauer Patriarchat anhängen würde, stimme nicht, da es in keinen Dokumenten stehe, wiederholt sie. Eine bekannte Position der UOK. Diese behauptet, dass sie schon seit Jahrzehnten vom Moskauer Patriarchat unabhängig sei und nicht erst seit Mai 2022.
"Handys müssen ausgeschaltet werden", steht auf ukrainisch und im kirchenslawischen Stil am Eingang der Kirche im Pokrovsky Holosiivsky Kloster in Kiew.
"Überall, wo Menschen sind, gibt es auch schlechte", sagt Svetlana. "Sei es im ukrainischen Geheimdienst SBU oder anderen Organen. Ich denke nicht, dass man deswegen eine ganze Kirche bekämpfen sollte."
Seit dem russischen Großangriff haben rund 800 Gemeinden die "Ukrainisch-Orthodoxe Kirche" (UOK) verlassen und wurden Mitglied der jüngeren "Orthodoxen Kirche in der Ukraine" (OKU), in der auf Ukrainisch gepredigt wird. Die UOK, die lange dem Moskauer Patriarchat unterstand, ist weiterhin die größere der beiden orthodoxen Kirchen in der Ukraine. Allein im ukrainisch kontrollierten Gebiet des Landes hat sie noch fast 8.200 Kirchen.
"Wir feiern im Dezember und im Januar"
Unweit des Pokrovsky Holosiivsky Klosters spielt sich Inessa Hrytsaenko am schneeweißen Klavier in ihrer kleinen Wohnung warm. Sie wohnt in oberem Stockwerk und hat von dort aus schon häufig russische Angriffe miterlebt. Mit "Im friedlichen Kiew" landete die junge Musikerin vor einiger Zeit einen Minihit.
Hrytsaenko hat schon am 25. Dezember Weihnachten gefeiert, denn für sie ist es eine Hinwendung nach Europa. Doch auch der 7. Januar ist ihr emotional weiter wichtig. Deshalb geht sie an diesem Tag in die Kirche, erzählt sie. "Ein Teil meiner Familie feiert nach den neuen Traditionen im Dezember und ein Teil am 7. Januar. Mein Vater ist Soldat und hat für den 7. Januar Fronturlaub bekommen."
Am 7. Januar stellt sie, wie traditionell an Weihnachten üblich, zwölf Gerichte auf den Tisch - darunter auch Kutja, ein süßer Weizenbrei mit Nüssen, Trockenfrüchten, Honig und Mohn. Das Zusammensein sei ihr jedoch das wichtigste, betont Hrytsaenko.
Musikerin Inessa Hrytsaenko feiert im Dezember und im Januar Weihnachten. Für sie ist es vor allem ein Familienfest.
Weniger Vertrauen in christliche Kirchen
Grundsätzlich haben christliche Kirchen indes an Ansehen in der ukrainischen Gesellschaft verloren. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts KIIS von Ende November 2023 in den ukrainisch kontrollierten Gebieten des Landes. Rund 30 Prozent der Befragten misstrauen demnach der Kirche und damit etwa sechs Prozent mehr als 2022.
Hintergrund könnte laut Beobachtern der Streit um die UOK sein und der Vorwurf an diese, die russische Seite zu unterstützen. Was Vertrauen angeht, lag die ukrainische Armee in der Umfrage mit 96 Prozent an erster Stelle, gefolgt von Armeechef Waleri Saluschny, der Freiwilligenbewegung, Präsident Selenskyj, Geheimdienst und Polizei. Hinter den christlichen Kirchen lagen jedoch die ukrainische Regierung, Massenmedien, sowie Gerichte und Staatsanwaltschaft.