Der Himmel erleuchtet in lila und pink hinter dem Johan Sverdrup Ölfeld in der norwegischen Nordsee
Europamagazin

Norwegens Pipeline-Schutz Damit Öl und Gas weiter fließen

Stand: 07.01.2023 15:59 Uhr

Die Lecks an der Pipeline Nord Stream 1 haben gezeigt, wie verwundbar die Energieversorgung über die Nordsee ist. Norwegens Marine hat deshalb ihre Patrouillenfahrten verstärkt. Doch auch sie weiß: Sie kann nicht überall sein.

Von Gunnar Köhne für das Europamagazin

Diesem Mann vertraut ganz Europa. Admiral Rune Andersen, Kommandeur der norwegischen Marine inspiziert eine seiner Fregatten an der norwegischen Westküste. Von hier aus werden die norwegischen Hoheitsgewässer überwacht, vor allem aber das, was tief unten auf dem Meeresboden liegt: Öl- und Gasleitungen, über die viele Länder Europas versorgt werden.

Was unter Wasser passiert, sagt er, sei "nicht zu 100 Prozent" zu kontrollieren. "Aber die Informationen, die uns die Energieproduzenten zur Verfügung stellen, kombiniert mit unserer militärischen Aufklärung, verschaffen uns eine recht gute Übersicht über das Leitungsnetz."

Knapp 9000 Kilometer Rohrleitungen und Kabel muss Norwegens Armee schützen. Hinzu kommen die Öl- und Gasinstallationen im offenen Meer und an Land.

Wie Norwegen seine Energieversorgung schützt

Gunnar Köhne, Europamagazin 12:45 Uhr

Auch Norwegen ist verwundbar

Rund um die Uhr sind Soldaten im Einsatz. Die Angst vor Sabotageakten ist groß, vor allem seit der Sprengung der Nord-Stream-Gasröhren in der Ostsee im vergangenen September. Auch Norwegen ist verwundbar.

Deshalb hat Ministerpräsident Jonas Gahr Støre Ende Oktober die erhöhte Verteidigungsbereitschaft der norwegischen Streitkräfte ausgerufen. Norwegen müsse "mit Bedrohungen überall im Land rechnen, auf dem Meer, aus der Luft und durch das Internet". Darum müsse die Verteidigungsbereitschaft erhöht werden.

Russland falsch eingeschätzt?

Ståle Ulriksen ist skeptisch. Seine Landsleute seien lange blauäugig gewesen, moniert der Sicherheitsexperte. Seit vielen Jahren schon warnt er: Der russische Nachbar habe Norwegen im Visier:

Nehmen Sie den hohen Anteil von russischen Staatsbürgern, die für norwegische Reedereien arbeiten, sogar in der Küstenschifffahrt. Dabei war allen klar, dass dahinter eine gezielte Einschleusung von Seiten der russischen Regierung steht.

Mehrere Festnahmen

Mitte Oktober wurde in der nordnorwegischen Stadt Tromsö ein angeblicher brasilianischer Forscher verhaftet. Die Recherchegruppe Bellingcat will ihn als Oberst des russischen Militärgeheimdienstes GRU identifiziert haben.

Zudem nahm die norwegische Polizei seit Ausbruch des Krieges an verschiedenen Orten neun russische Touristen zwischenzeitig fest, unter ihnen der Sohn eines Oligarchen auf Segeltour. Sie sollen mit ihren Drohnen sensible Orte in Sperrgebieten fotografiert haben.

In Norwegens Küstenstadt Bergen reagiert man auf der Straße auf solche Nachrichten eher gelassen. Manche Leute würden ständig "Spionage" rufen, sagt ein älterer Herr, er sei da eher skeptisch, habe aber nichts gegen eine erhöhte Bereitschaft der Armee.

Und ein anderer Fußgänger meint, Russland wolle mit solchen Aktionen Angst verbreiten; davon sollten sich die Norweger nicht beeindrucken lassen.

"Heute wichtiger denn je"

Norwegens Marine will sich vor allem nicht überraschen lassen. Kommandeur Andersen lässt sich von der ihm unterstellten Küstenwache Bericht erstatten. Die Patrouillen entlang der 2500 Kilometer langen Küste wurden verstärkt.

Die Marine gehe jetzt "sehr flexibel" vor, sagt Oliver Berdal, Kommandeur Küstenwache. Sie könne schließlich nicht überall gleichzeitig sein. Also entscheide sie "wenn nötig auch von Stunde zu Stunde jedes Mal neu, wo wir wann zur Stelle sind".

Die Stimmung, hat General Andersen festgestellt, sei "von großer Ernsthaftigkeit" geprägt. Aber es sei auch ein gutes Gefühl zu sehen, dass der Job, für den sie ausgebildet und vorbereitet worden sind, "heute wichtiger denn je ist".

Norwegen ist Europas größter Gaslieferant. Das bringt dem Land viel Geld. Aber auch viel Verantwortung. Admiral Andersen und seine Truppe wollen sicherstellen, dass das Gas auch in diesen unsicheren Zeiten da ankommt, wo es gebraucht wird.

Diese und weitere Reportagen sehen Sie im Europamagazin - am Sonntag um 12.45 Uhr im Ersten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das "Europamagazin" am 08. Januar 2023 um 12:45 Uhr.