NATO, Schweden und Ukraine Näher dran, aber noch nicht drin
Die NATO-Staaten erhöhen den Druck auf Ungarn und die Türkei, dem Beitritt Schwedens zuzustimmen. Auf dem Treffen in Oslo wurde aber auch deutlich: Bei einer Aufnahme der Ukraine ist man zurückhaltender.
So langsam läuft die Zeit davon. Bis zum NATO-Gipfel in Vilnius sind es nur noch knapp fünf Wochen. Und eigentlich will das westliche Verteidigungsbündnis in der litauischen Hauptstadt Anfang Juli den Abschluss seiner Norderweiterung feiern.
Aber für die Aufnahme Schwedens fehlt nach wie vor das grüne Licht aus Ungarn und der Türkei. Die Regierung von Viktor Orban empört sich über die Kritik schwedischer Politiker am Zustand von Demokratie und Rechtstaatlichkeit in Ungarn. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wirft Schweden vor, nicht scharf genug gegen kurdische Terroristen vorzugehen.
Bei den anderen Bündnispartnern hält sich das Verständnis für die ungarische und türkische Blockade inzwischen in äußerst engen Grenzen. Auch wenn Schwedens Außenminister Tobias Billström vergleichsweise diplomatisch klingt, wenn er darauf hinweist, dass sein Land inzwischen alle Hausaufgaben erledigt hat, inklusive eines neuen Anti-Terrorgesetzes, das seit heute in Kraft ist: "Damit haben wir alles erfüllt, und es ist höchste Zeit für Ungarn und die Türkei, die Aufnahme Schwedens in die NATO zu ratifizieren."
Stoltenberg will in die Türkei reisen
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sieht das genauso und will schon bald nach Ankara reisen, um sich bei Erdogan für den schnellstmöglichen Beitritt Schwedens einzusetzen - weil das, so Stoltenberg, "die gesamte Allianz stärker macht, was für die Türkei und jeden anderen Bündnispartner mehr Sicherheit bedeutet".
Die deutsche Außenamtschefin Annalena Baerbock erinnert daran, dass alle NATO-Staaten Finnland und Schweden vor einem Jahr die Aufnahme versprochen hatten - und jetzt dazu auch stehen müssten. "Vertrauen, Verlässlichkeit, dass das gegebene Wort gilt, das ist gerade in diesen Zeiten, wo Russland einen Angriff auch auf die regelbasierte Ordnung führt, das Allerwichtigste", so die Grünen-Politikerin.
Deutlich zurückhaltender klingt die Bundesaußenministerin, wenn es um den NATO-Beitritt der Ukraine geht. Zwar sei die Tür grundsätzlich offen. Mitten in einem Krieg könne aber nicht über eine Mitgliedschaft gesprochen werden.
Einig bei Sicherheitsgarantien
Das sieht unter anderem Ungarn genauso. Vor allem die baltischen Staaten verlangen dagegen einen möglichst konkreten Fahrplan. Aus Litauen heißt es, die Ukraine warte schon seit 14 Jahren darauf und sei in der Zwischenzeit zweimal von Moskau überfallen worden. Nach Ansicht des estnischen Außenministers Margus Tsahkna darf es in der Nachbarschaft zu Russland keine Grauzonen mehr geben. "Wohin das führe, habe sich 2008 in Georgien und seit 2014 in der Ukraine gezeigt, nämlich zu einem Krieg in Europa, zu Völkermord und der Deportation von Kindern."
Einig ist sich die NATO darüber, dass es nach dem Ende des Krieges für die Ukraine Sicherheitsgarantien geben muss, damit sich die Geschichte nicht wiederholt. "Wir müssen dafür sorgen, dass Russland nicht noch einmal einmarschiert", sagte Kanadas Chefdiplomatin Melanie Joly. "Außerdem sind für den Wiederaufbau gewaltige Anstrengungen nötig - und private oder öffentliche Unternehmen werden sich nur dann in der Ukraine engagieren, wenn sie wissen, dass ihre Investitionen nicht in Gefahr sind."
Außerdem will die NATO der Ukraine für die kommenden Jahre ein - wie es beim Treffen in Oslo heißt - robustes Paket an politischer und militärische Unterstützung zur Verfügung stellen. In Sachen Beitritt ist die grundsätzliche Haltung der Allianz aber auch nach diesem Treffen unverändert. Ja, die Ukraine soll NATO-Mitglied werden. Die Frage ist nur: wann?