Die Krim-Brücke nach einem mutmaßlichen Anschlag.
faq

Krim-Brücke Was über die Explosion bekannt ist

Stand: 17.07.2023 21:06 Uhr

Russland spricht von einem "Terroranschlag" und macht die Ukraine verantwortlich, Kiew hält sich bedeckt - nach der Explosion auf der Krim-Brücke ist noch vieles unklar. Was bislang bekannt ist.

Was ist passiert?

In der Nacht zu Montag ist es auf der 19 Kilometer langen Brücke, die das russische Festland mit der von Russland besetzten Halbinsel Krim verbindet, zu mindestens einer Explosion gekommen. Ein Telegram-Kanal, der mit der Söldnertruppe Wagner in Verbindung gebracht wird, berichtet von zwei Angriffen - einer um 3.04 Uhr und einer um 3.20 Uhr.

Zwei Menschen seien dabei getötet worden, erklärte der Gouverneur des russischen Gebiets Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, in einer Videobotschaft. Demnach soll es sich bei den Toten um ein Ehepaar handeln, die 14-jährige Tochter der beiden sei verletzt in ein Krankenhaus gebracht worden. Die Familie war laut russischen Medien auf dem Weg in den Urlaub.

Der Auto- und Zugverkehr wurde zunächst eingestellt. Auch Fährverbindungen wurden ausgesetzt. Mittlerweile ist der Eisenbahnverkehr wieder aufgenommen worden. Ein Zug aus der Krim-Hauptstadt Simferopol sei mit fünf Stunden Verspätung in Richtung der südrussischen Region Krasnodar losgefahren, teilten die Besatzungsbehörden der Krim mit. Der Autoverkehr lief in der Nacht zum Dienstag nach russischen Regierungsangaben mit Einschränkungen wieder an. Genutzt werde nur eine der zwei Fahrbahnen, teilte Vizeregierungschef Marat Chusnullin nach Angaben russischer Agenturen mit. Bis zum 1. November sollen dann wieder beide Richtungen befahrbar sein. Das Fundament der Brücke sei nicht beschädigt worden.

Was ist zu den Hintergründen bekannt?

Bislang hat sich niemand dazu bekannt. Der Parlamentschef auf der von Russland schon 2014 einverleibten Krim, Wladimir Konstantinow, machte die Ukraine verantwortlich. "Heute Nacht hat das Terrorregime Kiews ein neues Verbrechen begangen und die Krim-Brücke angegriffen", schrieb er in seinem Telegram-Kanal. Das russische Anti-Terror-Komitee geht davon aus, dass die Ukraine die Brücke mit Überwasserdrohnen attackiert hat. Die ferngesteuerten Boote zündeten laut russischen Angaben Sprengstoff an dem Bauwerk.

Auch der Kreml beschuldigt Kiew: "Wir kennen die Gründe und diejenigen, die hinter dem Terroranschlag stehen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow laut russischen Nachrichtenagenturen. "Das alles ist das Werk des Kiewer Regimes."

"Eine offizielle Bestätigung der ukrainischen Regierung gibt es nicht", Vassili Golod, ARD Kiew, über die Explosionen auf der Krim-Brücke

tagesschau, 17.07.2023 17:00 Uhr

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, sprach zudem von einer mutmaßlichen britischen und US-amerikanischen Beihilfe: "Der Angriff auf die Krim-Brücke heute wurde von dem Regime in Kiew verübt. Bei diesem Regime handelt es sich um ein Terroristisches, und es weist alle Merkmale einer international organisierten Verbrecherbande auf", sagte Sacharowa. "Die Entscheidungen fällen ukrainische Politiker und das Militär mit unmittelbarer Hilfe von amerikanischen und britischen Geheimdiensten und Politikern."

"Natürlich wird es vonseiten Russlands eine Antwort geben", sagte Kremlchef Wladimir Putin bei einer Beratung der russischen Führung. Das Verteidigungsministerium bereite Vorschläge dafür vor, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Tass den Präsidenten. "Das ist der nächste Terrorakt des Kiewer Regimes", so Putin.

Es gebe Hinweise, dass der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU dahinter stecken könnte, sagt Vassili Golod, ARD-Korrespondent in Kiew. Eine Beteiligung dementierte der SBU auf ARD-Anfrage nicht. Alle Informationen über die Operationen des Geheimdienstes würden erst nach einem Sieg der Ukraine veröffentlicht, hieß es. In einer ersten Reaktion teilte die Behörde lediglich mit: "Erneut hat sich die Brücke 'schlafen" gelegt. Und eins ... zwei!"

Kiewer Medien berichten, dass der SBU mit der Marine zusammengearbeitet haben könnte. Sie berufen sich auf Insiderinformationen, wonach Drohnen eingesetzt worden seien.

Welche Bedeutung hat die Krim-Brücke?

Die sogenannte Krim-Brücke besteht eigentlich aus zwei 19 Kilometer langen Brücken - eine für die Eisenbahn, eine für Autos. Sie verbinden als einzige Brücken das russische Festland, die Region Krasnodar, mit der von Russland besetzten Krim. Beide gehen über die Straße von Kertsch, die Verbindung vom Schwarzen zum Asowschen Meer.

Vor gut fünf Jahren wurde die Brücke von Präsident Wladimir Putin eröffnet. Der Bau gilt in Russland als Prestigeprojekt mit hoher Symbolkraft, der den russischen Anspruch auf die ukrainische Halbinsel zementieren soll.

Die Krim-Brücke hat aber auch einen hohen strategischen Wert. "Die Krim ist eine zentrale strategische Militärbasis Russlands, die maßgeblich für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine genutzt wird", sagt ARD-Korrespondent Golod. "Alles, was den Nachschub einschränkt, der zu einem großen Teil über die Brücke läuft, ist von Vorteil für die Ukraine."

Auch der symbolische Wert des Angriffs sei nicht zu unterschätzen. "Es setzt ein Zeichen für die Menschen in Russland, dass Putin eben nicht so stark ist und eben nicht in der Lage ist, das, was er als sein eigenes Staatsgebiet empfindet, zu verteidigen", so Golod.

Expolosionen auf der Krim-Brücke: Kreml macht die Ukraine für den Vorfall verantwortlich

Tobias Dammers, ARD Kiew, tagesschau, 17.07.2023 20:00 Uhr

Was sind die Auswirkungen für russische Krim-Urlauber?

Die Halbinsel Krim ist bei russischen Urlaubern sehr beliebt. Jetzt zur Hauptsaison machen laut der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti ungefähr 50.000 Menschen dort Urlaub, viele seien mit dem Auto angereist. Russische Behörden rieten den Touristen, durch die von Russland besetzten Gebiete in der Ukraine zurück nach Hause zu fahren. Das russische Staatsfernsehen zeigte eine Karte der rund 400 Kilometer langen Strecke, die durch die besetzte südukrainische Stadt Melitopol zur großteils zerstörten Hafenstadt Mariupol geht und in der südrussischen Stadt Rostow endet. Teils sind die Regionen von Gefechten betroffen.

Reisende sollten ihre Pässe mitnehmen. "Die Sicherheit ist durch die russische Armee gewährleistet" und werde verstärkt, erklärte Wladimir Saldo, der von Moskau eingesetzte Gouverneur der Region Cherson. Er habe die Ausgangssperren minimiert, um den Durchgangsverkehr zu erlauben. Zugleich warnte Saldo, dass es Kontrollpunkt gebe, um "Sabotage" zu verhindern.

Karte Ukraine, schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Gibt es Parallelen zur Explosion im Oktober 2022?

Nicht zum ersten Mal wurde die Krim-Brücke angegriffen. Bereits im Oktober 2022 wurde die Konstruktion durch eine Explosion schwer beschädigt. Mehrere Menschen kamen ums Leben, ein Teil der Fahrbahn stürzte ins Meer und ein Lastwagen explodierte. Monatelang war der Verkehr über die Brücke massiv eingeschränkt, erst im Februar 2023 konnten alle Spuren wieder freigegeben werden.

Bereits direkt nach dem Angriff beschuldigte Russland die Ukraine. Doch erst im Mai bestätigte der ukrainische Geheimdienstchef Wassyl Maljuk die Beteiligung Kiews an der Explosion auf der Krim.

Ist der Angriff Ursache für das Aussetzen des Getreideabkommens?

Der Kreml hat das Abkommen zur Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine über das Schwarze Meer nur wenige Stunden nach dem Vorfall auslaufen lassen. Dem russischen Präsidialamt zufolge gibt es keinen Zusammenhang zu den Explosionen auf der Krim.

"Das sind zwei nicht miteinander verbundene Ereignisse", sagte Kremlsprecher Peskow. Die Vereinbarung sei nicht verlängert worden, weil der Russland betreffende Teil nicht umgesetzt worden sei. Sobald die Vereinbarungen erfüllt würden, werde sich Russland wieder beteiligen.

Christina Nagel, ARD Moskau, tagesschau, 17.07.2023 06:55 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 17. Juli 2023 um 14:00 Uhr.