G7, Energiekrise und Klimaziele Jetzt erst recht - oder lieber später?
Umweltschützer schauen mit Sorge auf den G7-Gipfel in Elmau. Sie fragen, was von den Klimazielen angesichts von Energiekrise und Ukraine-Krieg bleibt. Verzögern sie den Ausstieg aus den fossilen Energieträgern?
Jetzt doch nicht - oder jetzt erst recht? Sollen die führenden Industriestaaten beim Klimaschutz bremsen angesichts hoher Energiepreise infolge des Kriegs gegen die Ukraine? Oder sollen sie noch schneller aussteigen aus Kohle, Öl und Gas, um unabhängig zu werden von Russland?
Die Gipfelteilnehmer im bayerischen Schloss Elmau stehen vor einem Grundsatzbeschluss, sagt Christoph Bals von der Denkfabrik Germanwatch: "Die Frage: fossile Energien, Kohle, Öl und Gas oder erneuerbare Energien und Energieeffizienz - das ist im Moment die große Weichenstellung, die über die Klimaziele maßgeblich mitentscheidet."
Für Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, einen der Gipfelteilnehmer, ist die Antwort klar:
Aus fossilen Brennstoffen auszusteigen bedeutet, unabhängig zu werden. Dabei wussten wir, dass für viele von uns der Ausstieg aus der Kohle vor allem über Gas erfolgen würde und das importieren wir aus Russland. Die aktuelle Lage veranlasst uns dazu, diese Strategie zu überdenken und beim Klimaschutz noch ehrgeiziger zu sein.
Klare Zusagen
Dazu haben sich die sieben führenden Industriestaaten grundsätzlich längst verpflichtet: Zusammen mit dem Rest der Welt beschlossen sie 2015 in der Pariser Klimavereinbarung, die Erderwärmung deutlich unter zwei Grad zu halten, idealerweise bei 1,5 Grad. Dafür wollen die G7 ab diesem Jahr international kein Staatsgeld mehr in fossile Projekte stecken und bis 2025 "ineffiziente" Subventionen für fossile Energieträger abschaffen.
Bis 2035 soll Strom überwiegend aus erneuerbaren Quellen kommen. Aus der Kohleverstromung wollen die G7 aussteigen, ein konkretes Datum gibt es nicht. Autos sollen bis 2030 in hohem Maße emissionsfrei fahren, also elektrisch.
Die Vorarbeit hat der jüngste Weltklimagipfel geleistet, betont der britische Premier Boris Johnson - er war Gastgeber in Glasgow, jetzt ist er Gast in Elmau: "Großbritannien ist weltweit führend in Sachen Nachhaltigkeit. Erst vor ein paar Monaten hat die ganze Welt beim Klimagipfel die Abkehr vom Verbrennerauto beschlossen, das Pflanzen von Milliarden neuer Bäume und den Ausstieg aus der Kohleverstromung."
Was gilt noch?
Offen ist, was vier Monate nach der russischen Invasion in der Ukraine noch gilt. Germanwatch-Experte Bals sieht jedenfalls beim Gastgeber, Bundeskanzler Olaf Scholz, "starke Tendenzen", auf längere Sicht in Gaslieferverträge und fossile Projekte zu investieren, die nicht mit den Pariser Klimazielen vereinbar sind. Die Industriestaaten wollten außerdem längst 100 Milliarden US-Dollar jährlich für Klimaschutz in Entwicklungsländern bereitstellen. Das soll jetzt bis 2025 geschehen.
Noch schwieriger gestalten sich Verhandlungen über Forderungen des globalen Südens, Schäden und Verluste durch den Klimawandel auszugleichen. Viele Länder können sich den Wiederaufbau nach Hurrikans oder Überschwemmungen nicht leisten. Aber Industriestaaten scheuen konkrete Zusagen, weil sie fürchten, für Milliardensummen in Haftung genommen zu werden.
Dabei tragen die G7-Mitglieder länger als andere zur Erderwärmung bei und haben deshalb eine historische Verantwortung für den Klimaschutz, selbst wenn ihr Anteil am globalen CO2-Ausstoß mittlerweile sinkt. Die G7 sind immer noch für rund ein Viertel der weltweiten Emissionen verantwortlich. Innerhalb der Gruppe stoßen die USA unter dem Strich die meisten Klimagase aus, vor allem durch die Öl- und Gasförderung. Kanada ist der Staat mit den höchsten Pro-Kopf-Emissionen. Auch Japans Energieversorgung wird von fossilen Brennstoffen dominiert.
In Deutschland steigt der Kohleanteil wieder wegen der Energiepreiskrise. Dafür hat Berlin innerhalb der G7 das früheste Netto-Null-Ziel für Treibhausgasemissionen festgelegt: 2045.
Schwellenländer und China einbinden
Schwellenländer holen wirtschaftlich auf und stoßen dadurch immer mehr Klimagase aus. Einige hat Bundeskanzler Scholz als Gäste zum Gipfel geladen - Argentinien, Indien, Indonesien, Senegal und Südafrika. Denn die G7 müssten "die aufstrebenden Schwellen- und Entwicklungsländer mitnehmen, deren demographische und wirtschaftliche Entwicklung sie zu neuen Machtzentren macht", so Scholz: "Das ist die multipolare Realität des 21. Jahrhunderts."
Scholz regt einen "internationalen Klimaclub" an, der allen Ländern offenstehen soll, die sich auf bestimmte Mindeststandards beim Klimaschutz festlegen. Schon jetzt helfen G7-Staaten Südafrika dabei, in der Stromversorgung von der klimaschädlichen Kohle wegzukommen. Eine entsprechende Partnerschaft hat Deutschland vor anderthalb Monaten auch mit Indien besiegelt, das bei den weltweiten Emissionen mittlerweile an dritter Stelle steht, hinter China und den USA.
Der größte Klimasünder sitzt in Elmau nicht mit am Tisch. Aber die G7 müssten mit China zusammenarbeiten, sagt Germanwatch-Experte Bals - obwohl Peking den russischen Angriffskrieg nicht verurteilt: "Es ist klar, dass man den Klimabereich aus der Konfrontation ausnehmen muss, weil man nur gemeinsam die Klimaprobleme einigermaßen eindämmen kann."
Umweltorganisationen verlangen vom Gipfel in Elmau ein klares und konkretes Signal, dass die führenden Industriestaaten mehr tun beim Klimaschutz und andere mitnehmen - trotz des Ukraine-Krieges. Nur dann könnte Elmau entscheidende Leitplanken setzen für den G20-Gipfel mit wichtigen Schwellenländern und für die nächste UN-Klimakonferenz im Herbst.