Bericht des UN-Kinderrechtsausschusses "Massive Indoktrinierung an russischen Schulen"
Wie steht es um die Kinderrechte in der Welt? Darüber wacht ein UN-Ausschuss. In seinem aktuellen Bericht kritisiert er neben Israel vor allem Russland - wegen der Verschleppung von Kindern und der Kriegspropaganda an Schulen.
Auf dem Einband prangt das Konterfei von Präsident Wladimir Putin, ein paar Seiten weiter finden Oberstufenschüler in Russland eine Karte, auf der ukrainische Gebiete wie die Krim bereits als russisch gelten. Die neue Grenze in Putins Bildungskanon verläuft anhand der Frontlinie.
Es ist die neuste Version der Geschichtsbücher in Russland, mit denen Schüler eine völlig neue Geschichtsschreibung lernen. So heißt es darin, Russland sei gezwungen gewesen, die "militärische Spezialoperation" gegen die Ukraine zu beginnen. Dort herrsche "Neonazi-Gedankengut". Das Wort Krieg kommt in dem Schulbuch nicht vor.
"Kein Verständnis für die Rechte von Kindern"
Es sind Entwicklungen wie diese, die der isländische Kinderrechtsexperte Bragi Gudbrandsson für den UN-Kinderrechtsausschuss untersucht hat. In Genf blickt der Vize-Vorsitzende mit ernstem Blick durch seine Brille. "Wir sind sehr besorgt über die massive Indoktrinierung an russischen Schulen. Außerdem, dass Kindern freier Zugang zu Informationen fehlt und das Recht, sich friedlich zu versammeln."
Dann wird Gudbrandsson grundsätzlich: "Es gibt kein allgemeines Verständnis in Russland für die spezifischen Rechte von Kindern - weder bei der Gesundheitsversorgung, noch bei Gesetzen zum Schutz für Kinder oder der Bildung." Der UN-Kinderrechtsausschuss in Genf fordert daher die russische Regierung auf, die Rechte von Kindern zu stärken.
Der UN-Kinderrechtsausschuss überwacht seit 1991 die Einhaltung der Rechte, die in der UN-Kinderrechtskonvention festgelegt wurden. Er besteht aus 18 unabhängigen Experten. Insgesamt haben 196 Länder das Abkommen ratifiziert.
Israel verweigert Kooperation
Lob äußerten Gudbrandsson und sein Team für die grundsätzliche Kooperationsbereitschaft der russischen Seite. Sechs Stunden habe man sich ausgetauscht und so das Kinderrechtsscreening, das regulär alle fünf Jahre stattfindet, überhaupt erst möglich gemacht.
Anders sah dies bei Israel aus. Das Land im Nahen Osten sollten die UN-Experten turnusgemäß ebenfalls analysieren. Dies scheiterte jedoch an der Bereitschaft der israelischen Regierung. Diese habe die Kooperation verweigert, bedauert die Ausschussvorsitzende Ann Skelton - und richtet einen eindringlichen Appell an Israel, die Kampfhandlungen zu unterbrechen, um den Kindern in Gaza eine Atempause von den Angriffen zu ermöglichen.
Die Schilderung der UN-Experten zu den Auswirkungen der Angriffe seit Oktober sind erschütternd: Kein Kind in Gaza sei frei von Leid, Angst und Hunger. Viele Tausende Kinder seien durch die Bomben getötet worden, weitere haben Gliedmaßen verloren. Mehr als 17.000 lebten derzeit ohne Kontakt zu ihren Eltern im Gazastreifen. "Alle sind traumatisiert und ihrer Kindheit beraubt", bilanziert Skelton und ergänzt: "Es braucht ein Ende der Kampfhandlungen."
Kritik an Pushbacks in Litauen
Unter den überprüften Ländern war dieses Mal auch Litauen. Grundsätzlich gebe es dort positive Entwicklung, beispielsweise bei Gesetzen und staatlichen Strukturen, die Kinderrechte stärken. Kritik äußerten die Experten jedoch an Pushbacks an den Außengrenzen des baltischen Staates. Asylsuchende Kinder würden zurückgeschickt, statt ihre Asylanträge anzunehmen.
Ein Schwerpunkt der UN-Überprüfung betraf ebenfalls die Verschleppung ukrainischer Kinder durch Russland. Laut ukrainischer Ombudsstelle handele es sich um bis zu 20.000 Fälle, in denen Kinder während des Angriffskriegs gegen die Ukraine verschleppt wurden.
Albtraum der Verschleppung durch Russland
Für Svitlana Riabtseva ist der Albtraum glücklicherweise vorbei. Die Ukrainerin hatte ihre neun- und zehnjährigen Kinder Angelina und Oleksandr ein Jahr lang nicht gesehen. Sie waren während der Gefechte aus einem Internat in der Ostukraine nach Russland deportiert worden. Vergangenen September kam es dann an einem Grenzübergang zu berührenden Szenen: Svitlana konnte sie wieder in die Arme nehmen - nach einer aufwändigen Rückholaktion über Polen und Belarus.
Das Jahr in Russland habe die beiden traumatisiert, erklärt Svitlana. "Sie wirken immer noch verängstigt und fürchten sich vor Vielem. Über das Erlebte wollen sie nicht sprechen." Ihre Wiedervereinigung hat sie zwar wieder glücklich gemacht, das Trennungsjahr hat jedoch bei allen dreien Spuren hinterlassen hat.