Italien Rom will Bolognas Tempolimit einschränken
In Bologna gilt auf vielen Straßen seit Jahresanfang ein Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde. Die rechtspopulistische Regierung in Rom ist dagegen - und will Verkehrsberuhigungen per Dekret einschränken.
Krankenpflegerin Laura ist fast jeden Tag mit dem Auto in ihrer Heimatstadt Bologna unterwegs. Am Anfang sei sie gegen die neuen Regeln gewesen, sagt die 56-Jährige. Mittlerweile aber findet die Bologneserin: "Wenn die Statistiken sagen, dass es wirklich weniger Unfallopfer bei Tempo 30 gibt, müssen wir Autofahrer das akzeptieren." Es sei nicht einfach gewesen, "sich daran zu gewöhnen, langsamer zu fahren", meint sie, "aber wenn man es Tag für Tag macht, ist es auch nicht so ein großes Drama".
Vielfahrerin Laura hat ihren Frieden gemacht mit den neuen Regeln in Bologna. Als erste Großstadt in Italien hat die Messemetropole zu Jahresbeginn fast flächendeckend Tempo 30 eingeführt, abseits der Hauptverkehrsstraßen - und mit dieser Pioniertat für einen nationalen Aufreger gesorgt. Denn die Regierung in Rom will das Modell Bologna in großen Teilen wieder rückgängig machen.
Transportminister Salvini wettert
Transportminister Matteo Salvini argumentiert, es sei wichtig, dass die Menschen schnell zur Arbeit kommen: "Ich denke, der Schutz der Umwelt muss im Gleichschritt gehen mit dem Recht des Menschen zu leben und zu arbeiten." Dass Bologna jetzt 70 Prozent des Stadtgebietes zur Tempo-30-Zone erklärt hat, will der Vorsitzende der rechten Lega nicht hinnehmen. Er hat eine Direktive und ein Gesetzesdekret angekündigt, mit denen das Recht der italienischen Städte und Gemeinden, Tempo-30-Zonen einzuführen, eingeschränkt werden soll.
Laut Presseberichten sehen die Entwürfe des Ministeriums vor, Tempo 30 in Italien künftig weitgehend auf sensible Zonen wie beispielsweise Straßen mit Kindergärten, Schulen oder Krankenhäusern zu begrenzen. Über Bolognas Pro-30-Entscheidung lästert Salvini in einem Instagram-Video: "Indem man langsamer fährt, können die Bologneser jetzt den Gesang der Vögelchen hören. Den Gesang der Vögelchen! Komm, lassen wir die arbeiten, die arbeiten müssen!"
Taxifahrer klagen über "Stress"
Im rotverputzten Palazzo d’Accursio, dem Sitz der Stadtverwaltung im Zentrum Bolognas, sitzt Matteo Lepore und wirkt etwas erschöpft angesichts der Auseinandersetzung mit Salvini und der Regierung in Rom. Der zum sozialdemokratischen PD gehörende Bürgermeister sagt: "Ich glaube, es ist eine sehr politische Polemik." Mittlerweile liefen Gespräche mit dem Ministerium und er sei zuversichtlich, dass "eine gemeinsame Lösung" gefunden wird. "Wir wollen die Straßen sicherer machen", betont Lepore, "und wir werden zeigen, dass das möglich ist".
Die Einführung von Tempo 30 in der Stadt mit knapp 400.000 Einwohnern sei reibungsloser verlaufen als von ihm erwartet, meint der Bürgermeister. Innerhalb einer Woche seien gerade einmal 20 Strafen wegen zu schnellen Fahrens verhängt worden.
Aber in Bologna gibt es auch Kritiker. Wie häufig bei ähnlichen Maßnahmen murren unter anderem die Taxifahrer. Der 60 Jahre alte Rubens, der hinter dem Rathaus auf eine Fahrt wartet, klagt: "Die Fahrten dauern länger, der Verkehr stockt noch mehr". Außerdem müsse man "jetzt ständig den Tachometer kontrollieren. Es ist einfach ein weiterer Stress".
Salvini will auch Radarfallen einschränken
Nach dem Motto "Wenn man schon mal dabei ist...", hat Minister Salvini angekündigt, sein geplantes Dekret werde nicht nur die Tempo-30-Zonen in Italien beschränken, sondern auch den Einsatz von Radarfallen gegen Geschwindigkeitssünder. Salvinis Credo: "Radarfallen vor einem Krankenhaus aufzustellen, wo viele Unfälle passieren oder vor einer Schule, ist sinnvoll. Radarfallen nach dem Zufallsprinzip zu platzieren, um Geld zu machen, dagegen nicht." Daher werde er die Nutzung der Radarfallen ebenfalls neu regeln.
Bolognas Bürgermeister Lepore gibt sich derweil gelassen. Seine Ansage: Das Tempo-30-Projekt wackele nicht. "Es ist stärker denn je", meint Lepore. Mehr noch, glaubt er: Es sei ein Projekt, "das in Zukunft auch andere italienische Städte vorantreiben werden".