Italien Regierung will Psychotests für Richter
Italiens Regierung liegt im Streit mit einem Teil der Justiz. Das Kabinett Meloni hat beschlossen, für alle Staatsanwälte und Richter in Italien einen Psychotest einzuführen. Eine Richtervereinigung droht dagegen mit Streik.
Giorgia Meloni macht kein Geheimnis daraus, dass sie einen Teil der Justiz in Italien nicht mag. Zu links, zu ideologisch seien viele Richter und Staatsanwälte, findet die Regierungschefin.
Ihre Kritik unterstrich Meloni zuletzt in einem Fernsehinterview am Mittwoch. Darin machte sie die Justiz dafür verantwortlich, dass beispielsweise die Regierungsentscheidung zur schnellen Abschiebung abgelehnter Asylsuchender noch nicht umgesetzt ist. "Gegen diese Regelung", kritisierte Meloni, "hat eine gewisse politisierte Richterschaft mobilisiert, die begonnen hat, die Vorschrift nicht anzuwenden."
Jeder soll getestet werden
Künftig will die Regierung in Rom Staatsanwälte und Richter auf den Prüfstand stellen. Das Kabinett Meloni hat diese Woche einen Gesetzentwurf beschlossen, über den die linksliberale Zeitung La Repubblica titelt: "Angriff auf die Richterschaft".
Vorgesehen in der neuen Vorschrift ist, dass sich angehende Staatsanwälte und Richter in Italien ab 2026 einem psychologischen Test unterziehen müssen.
Die Richter wehren sich
Die Richtervereinigung ANM macht dagegen mobil und will ihre Mitglieder zum Streik aufrufen. Richterpräsident Giuseppe Santalucia sieht in der Regierungsentscheidung den Versuch, die Glaubwürdigkeit der Justiz zu untergraben: "Ich bin überzeugt, dass es eine Vorschrift ist, die der öffentlichen Meinung suggerieren soll, die Richter müssten stärker kontrolliert werden."
Dass Italiens Rechte sich mit der Justiz anlegt, hat im Land seit Silvio Berlusconi Tradition. Der im vergangenen Jahr verstorbene vierfache Ministerpräsident hatte bereits 2003 in einem Zeitungsinterview viele Richter als "verrückt" bezeichnet und erklärt, die politisierte Richterschaft in Italien sei "ein Krebsgeschwür, das ausgerottet" werden müsse.
Ein hintersinniger Gegenvorschlag
Meloni, die als Jugendministerin unter Berlusconi ihr erstes Regierungsamt hatte, will nun bei allen Staatsanwälten und Richtern prüfen lassen, ob sie psychisch stabil sind. Das sei ein Misstrauensvotum gegen die Justiz, findet Italiens bekanntester Anti-Mafia-Staatsanwalt, Nicola Gratteri. Und er macht den provokanten Gegenvorschlag, auch Regierungsmitglieder sollten überprüfen werden, ob sie normal seien.
Wenn die Politik glaube, Tests bei Richtern seien notwendig, sagt Gratteri, "dann schlage ich vor, dass wir diese Tests für alle öffentlichen Strukturen einführen, also auch für Politiker und vor allem für diejenigen, die Ämter in Regierungsverantwortung haben". Zusätzlich, spinnt der Anti-Mafia-Staatsanwalt seine Provokation weiter, sollten es für Regierungsmitglieder Alkohol- und Drogentests geben.
Der Justizminister ist irritiert
Melonis Justizminister Carlo Nordio reagiert pikiert auf den Aufschrei der Empörung angesichts der Regierungsentscheidung. Er verstehe nicht, "wie man unterstellen kann, dass es sich um eine Art Majestätsbeleidung handelt oder eine Beleidigung der Unabhängigkeit und des Stolzes der Richterschaft". Nordio war früher Gratteris Kollege und selbst Anti-Mafia-Staatsanwalt.
Der Justizminister verwies in seiner Pressekonferenz nach der Kabinettsitzung unter anderem auf Erfahrungen aus seinen Anfangsjahren. Bei seinem Einstieg in den Justizdienst vor fast 50 Jahren, erzählte Nordio, habe er einen Blut- und Lungenfunktionstest machen müssen und dies nicht als Angriff auf seine Privatsphäre empfunden.
Der Justizminister verteidigt den von ihm formulierten Gesetzentwurf auch mit dem Hinweis, in Italien gebe es bereits psychologische Tests beispielsweise für Polizeianwärterinnen und -anwärter.
Die Regierung vertraut auf ihre Mehrheit
Die geplanten Psychotests für die Richterschaft sollen laut Gesetzentwurf künftig Teil des Bewerbungsverfahrens sein. Die Opposition hat Widerstand dagegen angekündigt.
Aber die Regierung gibt sich geschlossen. Die geplante Psychotestvorschrift wird von allen Koalitionsparteien mitgetragen, von Melonis Brüder Italiens, Matteo Salvinis Lega und der von Silvio Berlusconi gegründeten Forza Italia. Die drei Regierungsparteien verfügen in beiden Parlamentskammern über eine deutliche Mehrheit.