Italiens Sozialdemokraten Wer fordert Meloni heraus?
Es geht um eine Richtungsentscheidung: Heute entscheidet eine Stichwahl über die neue Führungsspitze der italienischen Sozialdemokraten. Wird es ein Regionalpräsident oder eine "Basisrebellin"?
Am Anfang schien alles klar. Der als gemäßigt geltende Stefano Bonaccini wird neuer Chef der größten italienischen Oppositionspartei und damit Herausforderer von Regierungschefin Giorgia Meloni. Der Präsident der traditionell "roten Region" Emilia-Romagna lag im Dezember in Umfragen klar vorn. Dann kam es anders.
Bonaccini schaffte in der Vorausscheidung der Kandidaten, in der nur die Mitglieder abstimmen durften, lediglich einen knappen Sieg, der sich wie ein halbe Niederlage anfühlt.
Im anstehenden finalen Basisvotum, an dem sich auch Nicht-Mitglieder der sozialdemokratischen Partito Democratico (Demokratische Partei - PD) beteiligen dürfen, muss Bonaccini zittern, sagt Tobias Mörschel, Chef der Friedrich-Ebert-Stiftung in Rom: "Bei der Abstimmung unter den Mitgliedern hat er bei weitem nicht so deutlich gewonnen, wie gedacht. Dass es jetzt nur einen Abstand von 18 Prozentpunkten gibt, ist erstaunlich."
Das Rennen innerhalb der Oppositionspartei
18 Punkte Vorsprung vor der zweitplatzierten Elly Schlein. Die 37-jährige Abgeordnete wirbt im Gegensatz zu Bonaccini für einen klar linken Kurs der italienischen Sozialdemokraten. "Ich glaube, dass wir wieder links handeln müssen", sagt sie. Und links bedeute heute, "ökologisch und feministisch" zu sein. Mit ihr, verspricht Schlein, werde die PD an der Seite derjenigen in Italien stehen, "die abgehängt und niedergedrückt" sind.
Mit ihrem Appell für eine Linkswende siegte Schlein in der ersten Runde in vielen Großstädten und qualifizierte sich für das abschließende Duell mit Bonaccini. Vor allem Jüngere in der Partei sehen in Schlein eine Hoffnungsträgerin, meint Mörschel. Sie stehe für "linke, soziale und Bürgerrechtsthemen", verbunden mit dem Versprechen einer "ökologischen Transformation". Damit, sagt Mörschel, verkörpere Schlein für viele die Hoffnung auf einen "Aufbruch in der PD".
Schlein will die Partei nach links führen
Elly Schlein ist als Tochter eines US-amerikanischen Universitätsprofessors und einer italienischen Professorin in der Schweiz geboren. Sie hat für Obama im Wahlkampf in den USA gearbeitet und machte vor zehn Jahren erstmals in Italien als "Basisrebellin" im PD von sich reden.
Anschließend trat Schlein aus der Partei aus, um sich einer linken Splittergruppe anzuschließen. Erst im Herbst, als im PD die Neubesetzung des Vorsitzes ausgerufen wurde, kehrte die Frau mit der Schweizer, italienischen und US-amerikanischen Staatsbürgerschaft wieder zu den Sozialdemokraten zurück.
Elly Schlein gilt für viele junge Mitglieder der italienischen Sozialdemokraten als Hoffnungsträgerin.
Ihr Kontrahent Bonaccini ist Sohn eines Lastwagenfahrers und einer Arbeiterin aus einer Kleinstadt in Norditalien. Er hat sein gesamtes politisches Leben im PD beziehungsweise den Vorgängerparteien verbracht. Bonaccini könnte, meint Mörschel, "wie Angela Merkel sagen: Sie kennen mich".
Er sei seit vielen Jahren fest verankert in der Emilia-Romagna, als Präsident dieser in Italien wichtigen Region habe er "gut regiert" und sei zudem seit vielen Jahren ein wichtiger Akteur auch auf nationaler Ebene. Bonaccinis Trumpf sei, sagt Mörschel, dass er "Erfolge vorzuweisen" hat.
Stefano Bonaccini siegte im Vorentscheid nur knapp.
Bonaccini will mit Gesundheitspolitik punkten
Das Versprechen des angeschlagenen Favoriten in der Vorwahl: Er werde die Sozialdemokraten im Land wieder so glaubwürdig machen, dass sie Wahlen gewinnen und Meloni ablösen können.
In der Emilia-Romagna hat der 56-Jährige gezeigt, dass er Wählerinnen und Wähler von links bis in die politische Mitte anspricht, unter anderem mit einer guten Gesundheits- und Schulpolitik. "Der PD, den ich will", sagte Bonaccini im Fernsehduell mit Schlein in der Woche vor der Wahl, "ist eine Partei, die draußen wahrgenommen wird, als diejenige, die - öffentlich und nicht privat - das fundamentale Recht auf gute Bildung und Gesundheit garantiert", für Arme genauso wie für Reiche.
In der Emilia-Romagna erhält Bonaccini auch für seine Wirtschaftspolitik gute Noten.
Oppositionspartei will Meloni die Stirn bieten
Es wird damit gerechnet, dass sich rund eine Million Menschen beteiligen werden an der Abstimmung über den neuen Chef beziehungsweise die neue Chefin der größten Oppositionspartei Italiens.
Die Hoffnung der PD-Basis: Die neue Führung soll Regierungschefin Meloni, die sich immer noch im Umfragehoch befindet, endlich angemessen Paroli bieten.