Reisewerbung Sind Islands Influencer zu erfolgreich?
Jedes Jahr besuchen rund zwei Millionen Menschen aus aller Welt Island. Besonders Influencer vermarkten das Land in den sozialen Medien. Mit viel zu viel Erfolg, meinen manche Einheimische.
Der Seljalandsfoss ist eines ihrer ersten Reiseziele: ein Wasserfall im Süden Islands. Hunderte Touristen parken ihre Mietautos und Wohnmobile auf dem kleinen Parkplatz. Vor dem winzigen Toilettenhaus gibt es schon eine lange Schlange. Dann machen sie sich mit ihren Kameras und Fotostativen auf den Weg zum Wasser.
Der Ort an der malerischen Ringstraße, die an Islands rauer Küste entlangführt, ist längst kein Geheimtipp mehr. Auch Justus und Milena aus Deutschland sind gekommen. "Wir haben natürlich viele Sachen auf Social Media gesehen. Das inspiriert, wo man hingehen kann. Dass man da nicht allein ist, war uns aber klar."
Wer in den sozialen Medien nach "Island" sucht, wird überrollt von spektakulären Fotos und Videos.
Das perfekte Bild
Wer im Netz einmal nach "Island" sucht, wird überrollt von unfassbaren Fotos und Videos. Besonders auf Social-Media-Plattformen wie Instagram oder TikTok.
Menschen posieren am Vulkan, während heiße Lava scheinbar direkt hinter ihnen in den Himmel schießt. Oder sie hängen mühelos mit einem Eispickel in einer Gletscherhöhle.
Das Besondere: Die Menschen stehen fast immer völlig allein in einer atemberaubenden Landschaft. Mit rauen Bergketten, moosgrünen Landschaften, tiefblauen Flüssen und Wasserfällen. Aber zeigen die Influencerinnen und Influencer damit das echte Island?
Gunnar Freyr Gunnarsson findet ja. Er ist eine Art Abenteuer-Influencer. Auf seinen Social-Media-Kanälen ist er fast immer mit seinem feuerroten Jeep unterwegs. Er ist draußen in der Natur, fährt durch Flüsse und auch mal an der Kante eines Wasserfalls entlang.
"Ich versuche, meinem Publikum auf Instagram und in den sozialen Medien immer etwas Neues zu zeigen. Etwas, das sie noch nie gesehen haben", sagt der große Isländer mit Bart und Wollmütze. "Dafür muss ich eben an die Orte fahren, an die kein anderer fährt." Wer seine Fotos und Videos sieht, möchte gleich selbst den Koffer packen.
Tourismus macht laut Islands Wirtschaftsministerin etwa neun Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Sie findet, die Branche solle noch weiter wachsen.
Die Jagd der Influencer
Aber es gibt auch Kritik. Unter einem Video Gunnarssons schreibt ein User: "Bald kommen 40.000 wegen Deines Reels, und sie verursachen bei uns einen Stau."
Gunnarsson ist in Island aufgewachsen. Er respektiert die Natur und die Regel hier draußen, sagt er. Und trotzdem müsse er im Netz auch liefern. "Es gibt eine große Konkurrenz unter uns Influencern. Wir kämpfen um die gleichen Projekte und haben ja auch das gleiche Publikum", erzählt er.
"Es gibt daher immer diesen Druck nach etwas Neuem, etwas, das viral gehen kann. Es gibt ganz sicher eine Jagd nach diesen Dingen. Das kann mit der Zeit auch anstrengend werden."
Abhängig vom Tourismus
Als im April 2010 der Vulkan Eyjafjallajökull im Südwesten Islands ausbricht, legt seine Aschewolke den Flugverkehr in ganz Europa lahm und schreckt Touristen ab.
Mit geschickten Kampagnen in den sozialen Medien poliert Island mittlerweile das Image als Reiseland wieder auf. Denn der Tourismus ist eine wichtige Einnahmequelle.
Lilja Dögg Alfredsdottir war bis Dezember 2024 Wirtschaftsministerin und damit auch für Tourismus zuständig. Wenn es nach ihr geht, sollen die Zahlen weiter steigen.
Der Tourismus macht etwa neun Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts aus. Wir exportieren Energie. Die Fischerei ist wichtig. Aber der größte Wirtschaftsfaktor ist der Tourismus. Er hat uns wieder aufgerichtet nach dem wirtschaftlichen Kollaps.
Die Ex-Ministerin spielt auf den Bankencrash an. Island war 2008 praktisch pleite, weil innerhalb weniger Tage die drei größten Banken zusammenbrachen. Der Tourismus sei dann der große Retter geworden.
Manchen machen die vielen Touristen Sorge. Die Rangerin Elisabet Sveinsdottir sagt: "Die Leute kommen wegen ein paar Selfies, und die Gegend ist zerstört. Das geht ganz schnell."
Sorge vor Umweltschäden
Aber nicht jeder im Land sieht das so. Elisabet Sveinsdottir macht der Touristenboom eher Sorgen. Sie arbeitet als Rangerin für die isländische Umweltbehörde und beseitigt zum Beispiel Autospuren in der Natur - wenn wieder einmal irgendjemand mit seinem Jeep die Straßen verlassen hat.
"Oft senden die Influencer keine besonders gute Botschaft in Welt", findet sie. "Sie machen eine Region schnell berühmt. Und diese Gegend verträgt dann diese vielen Menschen nicht. Die Leute kommen wegen ein paar Selfies, und die Gegend ist zerstört. Das geht ganz schnell."
Islands Natur sei unfassbar schön, aber eben auch sehr verletzlich, erklärt sie. Autospuren im Moos bleiben über Jahrzehnte, weil hier aufgrund des kalten Klimas alles nur sehr langsam wächst. Sveinsdottir meint:
Es ist zu viel geworden. Wir kommen mit der Infrastruktur kaum hinterher, um diesen Ansturm zu regeln. Es ist wirklich verrückt.
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