Nach Gerichtsurteil Großbritannien schließt Asylvertrag mit Ruanda
Die britische Regierung hat sich mit Ruanda auf ein neues Abkommen für Abschiebungen geeinigt. Durch den Vertrag soll ein Urteil des obersten Gerichts umgangen werden. Auch schärfere Regeln für Fachkräfte sind geplant.
Mit deutlich schärferen Hürden für ausländische Fachkräfte sowie einem neuen Asylpakt für Abschiebungen nach Ruanda will sich Großbritannien gegen Migranten abschotten. Der britische Innenminister James Cleverly und der Außenminister Ruandas, Vincent Biruta, unterzeichneten den Vertrag in der ruandischen Hauptstadt Kigali, wie beide Regierungen mitteilten.
Die Vereinbarung sieht vor, dass Asylsuchende, die irregulär nach Großbritannien einreisen, in das ostafrikanische Land geschickt werden. Im Gegenzug hat Ruanda eine erste Zahlung von rund 163 Millionen Euro (140 Millionen Pfund) erhalten und das Versprechen, dass weiteres Geld für die Unterbringung und Versorgung der abgeschobenen Personen bereitgestellt wird. Die konservative Regierung will mit dem Abkommen ein Urteil des obersten britischen Gerichts umgehen.
Der Supreme Court hatte vergangenen Monat über einen früheren Vertrag geurteilt, dass dieser gegen internationale Menschenrechtsgesetze verstößt. Das neue Abkommen soll nun Zusicherungen der autoritären ruandischen Führung vorsehen, keine Asylbewerber in ihre Heimat abzuschieben - und so Bedenken aus dem Weg räumen. Sollte Ruanda einen Migranten ausweisen wollen, etwa wegen einer Straftat, sollen britische und ruandische Richter gemeinsam entscheiden, ob die Person bleibt oder zurück nach Großbritannien geholt wird.
Ruanda soll sicherer Drittstaat werden
Als nächstes soll das britische Parlament noch Ruanda zum sicheren Drittstaat erklären. Sorge bereitet Beobachtern, dass der britische Premierminister Rishi Sunak die Europäische Menschenrechtskonvention verlassen könnte, um juristischen Widerstand aus Straßburg zu vermeiden. Der rechte Parteiflügel der Tories setzt Sunak lautstark unter Druck, die Nettozuwanderung von zuletzt 745.000 Menschen deutlich zu senken.
Das Gericht hatte Ruanda nicht als sicheren Drittstaat eingestuft: Es sah die Vereinbarung daher als nicht vereinbar mit Großbritanniens internationalen Verpflichtungen an, da es möglich sei, dass Ruanda die Menschen in Regionen abschieben könnte, in denen ihnen Verfolgung droht.
Die Regierung betont, sie wolle die ersten Asylsuchenden noch vor der nächsten Wahl ausfliegen. Der Termin steht noch nicht fest, spekuliert wird über Mai oder Oktober 2024. Ob je eine Maschine mit abgeschobenen Menschen nach Ruanda abheben wird, ist trotzdem unklar. Selbst Innenminister Cleverly wollte sich nicht auf einen Zeitpunkt festlegen.
Fachkräfte brauchen höhere Gehälter
Einen viel stärkeren Einfluss dürften die Maßnahmen haben, die Cleverly am Montag im Parlament angekündigt hatte. Künftig müssen ausländische Fachkräfte mindestens 38.700 Pfund (45.150 Euro) statt bisher 26.200 Pfund Jahresgehalt beziehen, damit sie ins Land kommen dürfen. Pflegekräfte sind ausgenommen, dürfen dafür aber ebenso wie Studierende ihre Angehörigen nicht mehr mitbringen.
Cleverly kündigte den größten Rückgang der Nettomigration in der jüngeren britischen Geschichte an. Mit etwa 300.000 Zuwanderern unterm Strich weniger rechnet er. "Genug ist genug", schrieb Premier Sunak in einem Gastbeitrag für die Zeitung "Sun". Auch vom rechten Tory-Flügel kam Zustimmung. Hardliner wie Ex-Innenministerin Suella Braverman mahnten dennoch umgehend noch schärfere Maßnahmen an.
Experten sehen die Vorhaben kritisch. "Das Signal lautet: Wir wollen Euch nicht", sagte ein EU-Diplomat. Die Wirtschaft erwartet, dass der Fachkräftemangel weiter zunimmt. "Einmal mehr haben die Interessen der Wirtschaft das Nachsehen gegen die internen Angelegenheiten der Konservativen Partei", sagte der Chef des Personalvermittlerverbands REC, Neil Carberry, der Zeitung "Financial Times".