
Großbritannien Regierung rettet letzte Hochöfen - vorerst
In Scunthorpe kämpfen britische Gewerkschafter um das Überleben der letzten Hochöfen des Landes. Jetzt greift die Regierung ein, um Arbeitsplätze und Produktion zu sichern - doch die Zukunft ist ungewiss.
Das Feuer darf nicht ausgehen: Seit Tagen kämpfen die Gewerkschafter im Stahlwerk in Scunthorpe dafür, dass die beiden Hochöfen an diesem Standort in Nordengland nicht abgeschaltet werden. Es sind die letzten beiden Hochöfen im Vereinigten Königreich, in denen hochwertiger Stahl aus Erz gewonnen werden kann.
Der chinesische Eigentümer Jingye Group hat offenbar in den vergangenen Tagen den Nachschub reduziert. Die Befürchtung war, dass deswegen das Feuer bald ausgehen könnte. Die Hochöfen wieder anzufachen ist technisch kompliziert und vor allem extrem teuer. Der chinesische Eigentümer verzeichnet offenbar hohe Verluste, pro Tag 800.000 Euro, berichteten britische Medien.
Mit neuem Gesetz Zeit gewinnen
Um das Schlimmste zu verhindern und Zeit zu gewinnen, hat die britische Regierung die Abgeordneten des Unter- und Oberhauses aus der Osterpause geholt und ein Gesetz verabschiedet, das den Schutz der Stahlproduktion ermöglichen soll. Demnach kann der Staat die nötigen Rohstoffe anliefern lassen und anordnen, dass die Öfen weiter laufen.
Beide Kammern des Parlaments ließen das Gesetz am Samstag passieren. Wirtschaftsminister Jonathan Reynolds verteidigte den Schritt, nun könnten die Stahlproduktion und vor allem die Arbeitsplätze gerettet werden. Es geht um etwa 2.700 Beschäftigte.
Auch Verstaatlichung möglich
Damit hat die Regierung Zeit gewonnen, um zwei Optionen zu verhandeln. Mit dem Eigentümer wird gesprochen, unter welchen Umständen der Weiterbetrieb möglich ist. Die Regierung hatte zur Modernisierung bereits 600 Millionen Euro angeboten, offenbar will das chinesische Unternehmen das Doppelte.
Im Raum steht jedoch auch die Idee, dass die Regierung das Stahlwerk verstaatlichen könnte. Premier Keir Starmer hob hervor, warum das Werk so wichtig für Großbritannien ist: "Die Zukunft von British Steel hängt am seidenen Faden. Es geht um Jobs, Investitionen, Wachstum, letztendlich um die Sicherheit."
Stahl auch für Aufrüstung benötigt
Was Starmer damit meint: Die Regierung hat beschlossen aufzurüsten. Dafür wird Stahl benötigt. Außerdem soll gebaut werden, es gibt Geld für die Infrastruktur und den Wohnungsbau, auch dafür ist Stahl essenziell. Weltweit deutet sich ein Handelskrieg an, in dem es um Zölle und Einfuhrbeschränkungen geht - in diesem Kontext wird es für die Regierung wichtiger, unabhängig vom Weltmarkt zu sein.
Innerhalb der Labour-Regierung wird bereits diskutiert, dass dies der Beginn einer ganzen Welle von Verstaatlichungen sein könnte. Auch der privatisierte Wasserversorger Thames Water steht vor dem Aus, es fehlen Millionen. Und im privatisierten Schienenverkehr gibt es ebenfalls Probleme.
Regierung steht unter Druck
Die Regierung Starmer ist auch politisch massiv unter Druck. Die rechte Partei Reform UK hat bei den letzten Parlamentswahlen Erfolge verzeichnen können - vor allem dort, wo einst Labour stark war. Der Reform UK-Politiker Richard Tice forderte im Unterhaus die Verstaatlichung: "Lasst uns loslegen, lasst uns britischen Stahl wieder groß machen", sagte er im Unterhaus.
Ganz so einfach ist das jedoch nicht: Denn eigentlich ist British Steel nichts mehr wert, müsste also für einen Euro zu erwerben sein. Doch darauf könnte sich der Eigentümer eben nicht einlassen. Denn wenn die Hochöfen ausgehen, könnte China noch mehr Stahl nach Großbritannien exportieren. Außerdem ist der Investitionsbedarf in Scunthorpe riesig. Die Labour-Regierung müsste also Milliarden bereitstellen, um das Werk wieder rentabel zu machen. Und dafür fehlt schlicht das Geld.
