UN-Klimakonferenz Überstunden in Glasgow
Zwei Wochen Verhandlungen und noch keine Einigung: Die Delegierten der UN-Klimakonferenz in Glasgow ringen weiter um den Text der Abschlusserklärung. Umweltverbände fürchten, dass am Ende nur wenige Klimaschutz-Zusagen übrig bleiben.
Das Ende der UN-Klimakonferenz in Glasgow verzögert sich. Stundenlange Debatten über einen möglichen Weg zum weltweiten Kohleausstieg und Hilfszahlungen an arme Länder bremsten den Abschluss aus. Eigentlich sollte der Gipfel um 18.00 Uhr Ortszeit (19.00 Uhr MEZ) zu Ende gehen, der britische Gipfelpräsident Alok Sharma kündigte für den Abend allerdings weitere Beratungen und neue Entwürfe für den Abschlusstext an.
Noch scheint es Unstimmigkeiten über diesen Abschlusstext zu geben, den am Ende der Klimakonferenz die rund 200 teilnehmenden Staaten einstimmig beschließen müssen. Zuvor war bekannt geworden, dass im jüngsten Entwurf Forderungen nach einem beschleunigten Kohleausstieg und einem Ende der Subventionen für fossile Energieträger deutlich verwässert worden waren.
In einer vorherigen Fassung war noch davon die Rede gewesen, dass alle Staaten den Ausstieg aus der Kohle beschleunigen sollten. Nun wurde der Aufruf mit dem Zusatz "ohne CO2-Abscheidung" abgeschwächt. Kohlekraftwerke, die Technologien zum Abfangen von klimaschädlichem Kohlendioxid nutzen, sind damit nicht mehr betroffen.
Bei dem Appell an die Staaten, ihre Förderung für alle fossilen Energieträger einzustellen, wurde im jüngsten Entwurf eingeschränkt, dass damit "ineffiziente" Subventionen gemeint sind. Damit fällt die Förderung etwa von Erdgas-Infrastruktur für eine Übergangsphase beim Umstieg von der Kohle auf erneuerbare Energien nicht unter diesen Aufruf. In der Vorlage wurde auch der Aufruf an die Staaten eingeschränkt, ihre Klimaschutzziele öfter als bislang vorgesehen zu überprüfen.
Kritik von Umweltschützern
Umweltschützer reagierten empört auf die Abschwächungen. Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig kritisierte etwa, damit stünde es quasi im Belieben der einzelnen Staaten, welche Förderungen gemeint sein sollen. Der deutsche Greenpeace-Chef Martin Kaiser sagte: "Jetzt ist der Moment gekommen, in dem Umweltministerin Svenja Schulze das Gewicht der viertgrößten Wirtschaftsnation in die Verhandlungen bringen muss." Die Schlupflöcher beim Thema Kohle und Subventionen müssten dringend geschlossen werden. "Ansonsten wird Glasgow eine gefährliche Luftnummer."
Auch die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer äußerte sich alarmiert über die absehbaren Beschlüsse: "Nichts davon entspricht dem Zeitdruck und dem humanitären Druck, unter dem wir stehen."
Die Umweltschutzorganisation WWF erklärte, der überarbeitete Entwurf bewege sich "in Schlüssel-Bereichen rückwärts". Dass die Formulierungen zu fossiler Energie nicht entfallen sei, sei "ein wichtiges Signal", die Einschränkungen müssten aber wieder gestrichen werden. Außerdem sei der Beschlusstext "nicht auf Linie mit den 1,5 Grad".
Verbände sehen auch Lichtblicke im Entwurf
Doch gibt es aus Sicht der Umwelt- und Entwicklungsverbände auch kleine Lichtblicke. So blieb die Aufforderung an alle Länder erhalten, ihre Klimaschutzpläne für dieses Jahrzehnt bis Ende 2022 nachzubessern. Weiterhin bleibt dies aber freiwillig, es gibt keine Verpflichtung. Auch sollen alljährlich die Minister zu dem Thema zusammenkommen.
Erstmals wird in dem Entwurf zudem die jahrelange Forderung armer Staaten aufgegriffen, einen Geldtopf für Hilfen bei Schäden und Verlusten einzurichten. Dabei geht es etwa um Zerstörungen und erzwungene Umsiedlungen nach Dürren, Sturmfluten oder Wirbelstürmen, die infolge der Erderhitzung zunehmen. Die Staaten werden aufgefordert, in diese neue "Fazilität" einzuzahlen. Es gibt aber keine Verpflichtung dazu, und auch konkrete Summen werden nicht genannt.
Eine Verbesserung in dem Textentwurf sah Oxfam-Experte Kowalzig beim Aufruf an die Industrieländer, ihre Hilfen für ärmere Länder für die Anpassung an den Klimawandel zu verdoppeln. Da dies nun bis 2025 gefordert werde, sei dieser Appell "nicht mehr leere Hülle". Bei Klimaschützern und Experten herrschte also nicht Unzufriedenheit auf ganzer Linie. "Insgesamt ist das ein Kompromiss, der Hoffnung macht", erklärte Yamide Dagnet vom World Ressources Institute.
Schulze: "Gern bereit, in die Verlängerung zu gehen"
Umweltministerin Schulze betont ebenfalls die positiven Aspekte des Entwurfs und äußerte sich vorsichtig optimistisch über den Fortgang der Verhandlungen. Es lägen bereits "gute Fortschritte auf dem Tisch", sagte die SPD-Politikerin. "Dafür bin ich auch gern bereit, in die Verlängerung zu gehen, wenn es notwendig ist." Es bestehe zum ersten Mal in der Geschichte der Weltklimakonferenzen die Chance, den Kohleausstieg in einem Abschlusstext zu erwähnen. Das sei ein "Paradigmenwechsel".
Gerade fossile Energieträger gelten als Haupttreiber der globalen Erwärmung. Die Zukunft der Brennstoffe gilt daher als einer der Knackpunkte beim zweiwöchigen Klimagipfel in Glasgow. Fachleute sind sich einig, dass ein Ausstieg so schnell wie möglich umgesetzt werden müsse. Sonst lasse sich das im Pariser Klimaabkommen von 2015 gesteckte Ziel nicht erreichen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.
Schon die Konferenzen der vergangenen Jahre waren sämtlich in die Verlängerung gegangen. Den Rekord für die längste Weltklimakonferenz hält die COP 2018 in Kattowitz. Zwar endete sie schon samstags, nämlich am 15. Dezember 2018 gegen 22.00 Uhr, sie hatte aber einen Tag früher begonnen als üblich. Am längsten überzogen wurde allerdings 2019 in Madrid: Bei der COP25 fiel der Hammer erst am Sonntag, den 15. Dezember gegen 14.00 Uhr.