Waldbrände in Südfrankreich "Mir kommen jeden Tag die Tränen"
Seit über einer Woche wüten Waldbrände an der Atlantikküste in Südfrankreich - 23.000 Hektar haben die Flammen bereits verschlungen. Viele Bewohner der Urlaubsregion fürchten um ihre wirtschaftliche Existenz.
Die schmucklose Ausstellungshalle neben dem gigantischen Supermarkt in La Teste-de-Buch ist zum Refugium geworden. 250 Feldbetten, eine improvisierte Kaffeebar, Kinderspielzeug auf roten Turnmatten. Hierhin hat es Thierry verschlagen.
"Meine ganze Familie ist verstreut", erzählt er. Sein großer Sohn sei bei einem Freund, seine Schwiegermutter sei bei einer Familie in La Teste-de-Buch untergekommen. "Meine Frau ist mit dem kleinen Sohnemann, zwei Hunden und drei Katzen in einem winzigen Apartment untergebracht und ich bin hier geblieben."
Kein festes Rückkehrdatum
Die Ausstellungshalle ist der Umschlagplatz, das Drehkreuz für Informationen. An der Empfangstheke, die Freiwillige und Vertreter der Kommune eingerichtet haben, kommt immerzu dieselbe Frage: Wann können wir zurück?
"Das wichtigste für unsere Angestellten ist, zu erfahren, wann sie wieder arbeiten können", erklärt Olivier de Camp, der ein Restaurant betreibt. Das "Le Petit Nice" liegt direkt am Strand von Pyla-sur-mer. Das Lokal steht noch, die Flammen haben es verschont. Doch der Gastronom hat bisher vergeblich versucht, den Helfern der Stadt ein festes Rückkehrdatum zu entlocken.
"Wir haben so ein super Team in unserem Lokal, alles lief bestens, wir waren total happy", erzählt er. "Unser Strand ist so ein fabelhafter, erhabener, magischer Ort." Olivier de Camp kommt aus der Region. Doch die momentane Situation breche ihm das Herz. "Mir kommen jeden Tag die Tränen."
Hirschkühe irren in Panik umher
Rund 23.000 Hektar Wald haben die Flammen verschlungen. Und auch viele Tiere, befürchtet Leslie Crocher. "Ich habe mitten im Zentrum von La Teste-de-Buch Hirschkühe gesehen, die da in Panik herumirrten. Ich habe mir gedacht, da muss man was tun."
Die Tanzlehrerin ist mit dreien ihrer kleinen Schüler in die Notunterkunft gekommen. Hier wollen sie Kontakte knüpfen und Helfer mobilisieren. "Wir legen den Tieren am Rand des Waldes ein kleines bisschen Nahrung hin, Salat und sowas, aber vor allem stellen wir Wasserbecken auf", sagt sie. In die Becken würden sie Steine und Stöcke legen, damit die kleinsten Tiere auch wieder herausfinden können.
Debatte über Schutzmaßnahmen
Der Verlust des Waldes macht viele Menschen in der Notunterkunft von La Teste-de-Buch traurig und nachdenklich. Warum ist er so schnell abgebrannt? Seit einigen Tagen gibt es eine hitzige öffentliche Debatte darüber, ob ökologische Schutzmaßnahmen verhindert haben, dass die vorgegebenen Korridore angelegt wurden.
Restaurantbetreiber Olivier de Camp sieht hier eine riesige Baustelle: "Wir müssen endlich diese Feuerschneisen in Angriff nehmen. Die Ökologie darf nicht dazu führen, dass der ganze Wald abbrennt." Die Natur müsse geschützt werden, die Anwohner, die Unternehmen. "Wir müssen das, was hier passiert ist, wirklich zum Anlass nehmen, die Dinge anzupacken."
15 Prozent der Wirtschaftskraft hängen hier vom Tourismus ab, vom Tourismus im herrlichen Schatten der Pinien. Die Menschen wissen: Wenn der Wald nicht wieder auf die Beine kommt, wird es auch für sie schwierig.