Französisches Innenministerium Hunderte verletzte Polizisten bei Protesten
Bei den teils gewalttätigen Protesten gegen die Rentenreform sind in Frankreich laut Innenministerium Hunderte Polizisten verletzt und Hunderte Protestierende festgenommen worden. Für heute sind weitere Protestaktionen angekündigt.
Bei den teilweise von Gewalt überschatteten Protesten gegen die umstrittene Rentenreform sind in Frankreich Innenminister Gérald Darmanin zufolge etwa 440 Polizisten verletzt worden. Insgesamt 457 Menschen seien im Rahmen der landesweiten Demonstrationen festgenommen worden, sagte Darmanin im TV-Sender CNews.
Gestern waren in Frankreich nach Angaben des Innenministeriums mehr als eine Million Menschen gegen die Pläne der Regierung auf die Straße gegangen, die Gewerkschaften sprachen von 3,5 Millionen Teilnehmern. Dabei kam es in mehreren Städten zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstrierenden.
Zahlreiche Brände im ganzen Land
Seit die Mitte-Regierung unter Präsident Emmanuel Macron die umstrittene Rentenreform vergangene Woche ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung gedrückt hat, kommt es bei Protesten vermehrt zu Gewalt: In Paris feuerte die Polizei Tränengas ab und setzte Schlagstöcke gegen die Menge ein.
Einige Demonstranten setzten Berge von Müll in Brand, die infolge des anhaltenden Streiks der Müllabfuhr an den Straßenrändern liegen. Die Feuerwehr musste eingreifen. Allein in Paris seien 903 Feuer entzündet worden, sagte Darmanin. Es gebe eine "Radikalisierung" seitens "Linksextremer", die "die Republik angreifen" wollten, sagte Darmanin, der innerhalb der von Ministerpräsidentin Elisabeth Borne angeführten Regierung als Rechtsaußen gilt.
In Bordeaux wurde während der Proteste das Tor des Rathauses in Flammen gesetzt. Es falle ihm schwer, "diese Art von Vandalismus zu verstehen und zu akzeptieren", sagte der Bürgermeister der Stadt, Pierre Hurmic, dem Radiosender RTL.
Flugaufsicht fordert Flugstreichungen
Die zivile Flugaufsichtsbehörde DGAC forderte die Airlines im Land für Sonntag auf, am Pariser Flughafen Orly 33 Prozent der geplanten Starts zu annullieren. Für Montag sollen demnach 20 Prozent der Flüge gestrichen werden. Auch in Marseille und Lyon soll ein Fünftel der Flüge wegfallen - in Marseille soll das nach Ansicht der Behörde auch am Montag geschehen.
Zuvor hatte die DGAC bereits für heute und morgen die Streichung eines ähnlichen Anteils der Flüge in Paris-Orly, Marseille, Bordeaux und Lyon verlangt. Es wird mit Auswirkungen auf den Flugverkehr auch im Rest Europas gerechnet. Einschränkungen für das öffentliche Leben dürften Frankreich auch in den kommenden Tagen treffen.
Neue Proteste gegen Rentenreform
Die Proteste gegen die geplante Rentenreform in Frankreich werden auch heute mit vereinzelten Aktionen fortgesetzt. In Marseille blockierten Lastwagen die Zufahrt zum Handelshafen. Der Zugverkehr rollte nur eingeschränkt, in Paris sammelte sich nicht abgeholter Müll weiter auf den Straßen.
Nach Angaben von Energiewendeministerin Agnès Pannier-Runacher wurde die Treibstoffversorgung von Paris durch die Raffinerie Gonfreville-L'Orcher in der Normandie nach dem Einschreiten der Polizei wieder aufgenommen. Am Ölterminal Fos-sur-Mer in der Nähe von Marseille planten Demonstranten jedoch weitere Blockaden von Ölraffinerien.
Umstrittene Reform soll bis Jahresende in Kraft treten
Die Rentenreform gilt als eines der zentralen Vorhaben von Präsident Macron. Die Regierung will das Renteneintrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre anheben. Außerdem soll die Zahl der nötigen Einzahlungsjahre für eine volle Rente schneller steigen. Damit soll ein drohendes Loch in der Rentenkasse abgewendet werden.
Die Gewerkschaften halten das Projekt für ungerecht und brutal. Der Text ist verabschiedet, liegt zur Prüfung aber noch beim Verfassungsrat. Macron will, dass die Reform bis zum Jahresende in Kraft tritt.