Außenpolitische Rolle der EU Eine "ungemütliche Perspektive"
China und Russland rücken näher, die USA schauen verstärkt in Richtung Asien: Die internationalen Gewichte verschieben sich. Für die EU ist das eine Herausforderung - ist sie dafür gerüstet?
Dieser Auftritt war ein Statement, eine klare Ansage - vor allem an den Westen. Zum Auftakt der Olympischen Spiele in Peking übten der chinesische Staatschef Xi Jinping und Russlands Präsident Wladimir Putin öffentlich den Schulterschluss, mit dem demonstrativen Anspruch, die Weltordnung neu zu sortieren.
Reinhard Bütikofer, der außenpolitische Koordinator der Grünen im Europaparlament, sieht diese "Allianz der Autokraten" als grundsätzliche Herausforderung, auch für die EU. Europa, sagt er, müsse das ernst nehmen - und damit rechnen "dass sie sich noch mehr als bisher in ihren aggressiven Politiken gegenseitig unterstützen".
Zum Beispiel im Konflikt zwischen China und dem Inselstaat Taiwan, den Peking als abtrünnige Provinz betrachtet. Eine Sichtweise, die Russland inzwischen teilt. In der Ukraine-Krise wiederum steht die chinesische Führung an der Seite Moskaus, vor allem, was die russische Forderung nach einem Erweiterungsstopp für die NATO betrifft.
Was bedeutet nationale Souveränität noch?
In der westlichen Verteidigungsallianz stößt das auf scharfe Kritik. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bezeichnet das als einen Versuch, souveränen Staaten das Recht abzuerkennen, eigene Entscheidungen zu treffen - ein Recht, das in internationalen Schlüssel-Dokumenten verbrieft sei.
"Wir dürfen aber nicht zurück in eine Zeit der Einflusssphären, wo die Großmächte anderen vorschreiben können, was sie dürfen und was nicht", so Stoltenberg.
Machtansprüche, die herausfordern
Aber könnte Europa die aktuellen Entwicklungen auf der internationalen Ebene überhaupt noch beeinflussen, und wenn ja, wie? Die Europäische Union stehe vor "ungemütlichen Perspektiven" und sei angesichts der von Russland und China offen zur Schau gestellten Machtansprüche schlecht gerüstet, sagt Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Wenn sich das internationale System "zu einem Konzert großer Mächte entwickeln sollte", sagt er, dann müsse die EU über kurz oder lang die Frage beantworten, ob sie eine dieser großen Mächte sein möchte, denn es sei schwer, Russland und China entgegenzutreten. Damit einher gehe auch die Frage, was die EU dafür zu tun bereit sei - politisch, finanziell, militärisch und diplomatisch.
Ein erster Schritt: der "strategische Kompass"
Der sogenannte "strategische Kompass" der EU ist zumindest der Versuch einer Antwort. Mit einer gemeinsamen Bedrohungsanalyse und mit dem Aufbau einer 5000 Mann starken, schnellen Eingreiftruppe, die im Krisenfall schnell zum Einsatz kommen soll, will Europa handlungsfähiger werden und sich unabhängiger machen von der Hilfe anderer, wie etwa der USA.
Ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen, sagt Kaim. Er hält es für das entscheidende Problem der EU, dass ein gemeinsamer politischer Wille zu oft nicht vorhanden ist. Schließlich entschieden die Nationalstaaten, in welche Richtung sich die Außen- und Sicherheitspolitik der EU entwickelt - "und es ist ja offensichtlich, dass der dafür nötige Konsens häufig fehlt."
Besonders augenfällig werde das, wenn es um die Kontakte zu Großmächten geht: "Eine europäische Außenpolitik gegenüber Russland oder China, die existiert weitgehend im Plural, die gibt es immer vielfach."
Eine Frage der Werte
Das müsse sich ändern, glaubt der grüne Außenpolitiker Bütikofer. Denn die EU könne ihre Werte wie Demokratie, Menschenrechte, internationale Zusammenarbeit und Rechtsstaatlichkeit nur dann überzeugend verteidigen, wenn sie gegenüber autoritären Führungen wie in Moskau oder Peking mit einer Stimme spreche.
Für die EU bedeute das: "Europa wird gezwungen, zusammenzustehen - oder es wird nicht erfolgreich sein."
Signale an China und Russland
Dass kaum ein westlicher Regierungschef zu den Olympischen Spielen nach Peking gereist ist, wertet Bütikofer als deutliches Zeichen, dass die EU dazu bereit ist, sich gegen die neue aggressive Großmachtpolitik zur Wehr zu setzen. Ein weiterer Beleg könnte das bislang bemerkenswert ge- und entschlossene Auftreten der Europäer gegenüber Russland in der Ukraine-Krise sein.
Die sicherheitspolitischen Herausforderungen im 21. Jahrhundert brauchen jedenfalls nicht weniger, sondern mehr gemeinsame EU-Aktivitäten auf der internationalen Bühne, davon ist der CDU-Europapolitiker David McAllister überzeugt, der im EU-Parlament den Auswärtigen Ausschuss leitet.
Entscheidend sei der politische Wille aller 27 Mitgliedsstaaten, so Mc Allister, "dass wir tatsächlich Rolle auf der diplomatischen Bühne wahrnehmen können, die unserem wirtschaftlichen und politischen Gewicht entsprechen sollte".