EU-Ministertreffen in Lille Wohin steuert Europas Asylpolitik?
Abschottung oder Allianz für mehr Offenheit? Auch auf dem Treffen der EU-Innenminister in Lille bleibt der Kurs in der Migrationspolitik umstritten. Vor allem Frankreich pocht auf effiziente Kontrollen an den Außengrenzen.
Bereits vor rund eineinhalb Jahren hatte die EU-Kommission Vorschläge vorgelegt, um die europäische Asyl- und Migrationspolitik zu reformieren. Passiert ist seitdem allerdings wenig. Doch jetzt nimmt das Thema wieder an Fahrt auf: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, dessen Land gerade die EU-Ratspräsidentschaft innehat, will endlich vorankommen.
Gestern Abend hatte er sich mit den Innenministern getroffen. Weil auch die Schweiz Mitglied des Schengen-Raumes ist, war Justizministerin Karin Keller-Sutter dabei. Zum ersten Mal seit zwei Jahren, erklärte sie, spüre sie wieder so etwas wie eine Aufbruchstimmung. Man glaube daran, dass Frankreich die Kraft habe, die Dinge voranzutreiben.
"Deutschland steht für ein menschliches Europa"
Es geht Macron um die Reform der Migrationspolitik, aber auch des gemeinsamen Schengen-Raumes, dem 26 europäische Staaten angehören und in dem die Bürger eigentlich ohne Kontrollen frei reisen können sollen. Der Präsident findet: Offene Binnengrenzen sind in Zeiten von Terrorgefahr und irregulärer Migration nur möglich, wenn gleichzeitig die Außengrenzen effizient geschützt werden.
Grundsätzlich bekommt er dafür Unterstützung von Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser, die aber auch sagt, dass es nicht nur um Abgrenzung gehe. "Deutschland steht nach wie vor für ein offenes und menschliches Europa. Es geht uns um legale Fluchtwege, um Menschen nicht im Mittelmeer ertrinken zu lassen", betont sie. "Wir wollen nach wie vor dafür eintreten, dass es menschliche und rechtsstaatliche Regelungen gibt und eine gute Arbeit von Frontex an den Grenzen wäre unsere Wahl der Dinge."
Koalition der Willigen?
Faeser warb erneut für eine Koalition der Willigen, für eine Gruppe von Ländern also, die Migranten aufnimmt. Unklar ist allerdings, wie viele Staaten überhaupt dazu bereit sind. Faeser wollte sich nicht auf eine Zahl festlegen, anders als der französische Präsident. Macron habe gestern von zwölf Staaten gesprochen, sagte die deutsche Innenministerin.
Aus Sicht von Faeser ist diese Einschätzung vielleicht sehr optimistisch. Aber sie würde sich diesem Optimismus anschließen. Sie habe in den vergangenen Tagen Gespräche dazu geführt und werde diese weiter intensivieren. Sie sei nach wie vor optimistisch, dass man auch mit Frankreich an der Seite vorankomme.
Viele setzten auf Abschottung
Frankreichs Innenminister Gerald Darmanin machte deutlich, dass Solidarität nur dann möglich ist, wenn die Außengrenzen geschützt sind und Ankommende dort systematisch registriert und schnell überprüft werden. Fakt ist: Nach wie vor setzen viele Länder in der EU auf Abschottung statt auf Aufnahme.
Österreich mit Innenminister Gerhard Karner zählt dazu. "Wir wollen eine Allianz der Vernunft", stellt er klar. Gemeinsam mit Griechen, Litauern und Polen habe man sich auf einer Konferenz in Vilnius für einen stärkeren und robusteren Außengrenzschutz ausgesprochen.
16 Länder hatten von der EU-Kommission gefordert, den Bau etwa von Zäunen oder Mauern an den Außengrenzen mit zu finanzieren. Die EU-Kommission lehnt das aber weiterhin ab. Trotz aller Hoffnungen auf Fortschritte - die Migrationspolitik bleibt in der EU umstritten.