EU-Einigung auf Verbot Kein Import von Produkten aus Zwangsarbeit
Ob Kakaobohnen oder Tomaten: Die Europäische Union will die Einfuhr von Produkten aus Zwangsarbeit verbieten. Mit dem Gesetz sollen Menschenrechte gestärkt werden.
Einige der Verhandler von Rat und Parlament brachten es nach ihrer nächtlichen Sitzung auf die simple Maßgabe: "Stammen einzelne Tomaten für eine Soße aus Zwangsarbeit, muss künftig die gesamte Soße weggekippt werden." Das neue EU-Gesetz sieht vor, dass Produkte vom Markt oder aus dem Online-Handel genommen werden müssen, wenn sich bei Kontrollen bestätigt, dass entlang der Lieferkette Zwangsarbeit eingesetzt wurde.
80 moderne Sklaven pro Europäer
Die Waren müssten dann gespendet, recycelt oder zerstört werden. "Das Gesetz ist eine wirklich gute Nachricht für die Verbraucher in der EU. Aber auch für die Unternehmen, die aktuell unter Dumping-Importen aus Regionen mit Zwangsarbeit leiden", sagt die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini.
Nach Schätzungen der EU-Kommission waren im Jahr 2021 knapp 28 Millionen Menschen weltweit von Zwangsarbeit betroffen. Darunter sind knapp sieben Millionen Kinder. Die von ihnen produzierten Solarzellen oder T-Shirts landen oft in Europas Läden und schließlich in den Haushalten. Schätzungsweise arbeiten auf diese Weise für jeden Europäer im Leben 80 moderne Sklaven.
Um einen Anteil zum Lebensunterhalt der Familie beizusteuern, müssen knapp sieben Millionen Kinder weltweit arbeiten.
"Schlupflöcher" durch fehlende Beweislastumkehr
Mit dem EU-Gesetz sei ein erster Schritt getan, die unerträglichen Zustände zu beenden, sagt der handelspolitischer Sprecher der Linken im Europaparlament, Helmut Scholz. Es blieben aber noch viele Schlupflöcher. Etwa, weil es zu einer ursprünglich angedachten Beweislastumkehr grundsätzlich nicht kommt. EU-Kommission und Teile des EU-Parlaments hatten eine solche für bestimmte Wirtschaftsbereiche und Regionen gefordert.
Bei der Beweislastumkehr hätten Unternehmen nachweisen müssen, dass bei Lieferanten keine Zwangsarbeit anfiel. Darunter könnte etwa die chinesische Provinz Xinjiang fallen, in der viele Uiguren leben. Die USA haben bereits ein Gesetz, das seit 2021 Unternehmen zwingt, nachzuweisen, dass in ihren Produktionsketten - beispielsweise in China - keine uigurischen Zwangsarbeiter eingesetzt wurden.
Datenbank gegen staatlich verordnete Zwangsarbeit
In Europa wird es vorerst anders laufen. Das begrüßt die FDP-Europa-Abgeordnete Svenja Hahn, die den Kompromiss mitverhandelt hat: "Wir konnten eine Beweislastumkehr verhindern. Das heißt, die staatliche Aufgabe des Schutzes von Menschenrechten wird nicht auf Unternehmen abgewälzt werden. Die Beweisführung für Zwangsarbeit in den Lieferketten soll bei der Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten liegen".
Auf Drängen von weiten Teilen des Parlaments soll nun zumindest eine Datenbank erstellt werden, die Wirtschaftszweigen sowie Regionen darstellt, in denen es staatlich verordnete Zwangsarbeit gibt. Das soll als Anhaltspunkt dafür dienen, ob Untersuchungen eingeleitet werden.
Drei Jahre Zeit für Umsetzung
Wenn EU-Rat und EU-Parlament dem Gesetz in den nächsten Wochen formal zustimmen, haben die Mitgliedsstaaten bis zu drei Jahre Zeit, die Regeln umzusetzen. Die grüne Abgeordnete Cavazzini hatte dahingehend mehr erwartet: "Wir als Parlament, und ich hätte mir noch mehr gewünscht. Etwa eine schnellere Umsetzung. Oder auch, dass wir die Wiedergutmachung für die Opfer im Gesetz verankern. Aber das war leider mit dem Rat der Mitgliedsstaaten nicht zu machen".
Den Liberalen im Parlament fehlt für weitreichende Konsequenzen neben einer Wiedergutmachungspflicht auch eine Folgenabschätzung der EU-Kommission. Außerdem bräuchten kleine und mittelständische Unternehmen effektive Hilfe bei der Umsetzung der Verordnung, so Hahn: "Wir konnten immerhin erreichen, das bereits zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Überprüfung erfolgen soll, ob das Gesetz auch zielgenau greift. Oder ob die Regelungen vielleicht nicht sinnvoll sind und besser zurückgenommen werden müssen."