EU-Außenministertreffen Neue alte Krisenherde
Die EU-Außenminister haben sich bei ihrem monatlichen Treffen mit der Krise im Sudan beschäftigt. Nach den Evakuierungen der vergangenen Tage gelte es nun den Leuten im Land zu helfen, so die Minister. Auch die Haltung Chinas war Thema.
Der Chefdiplomat der Europäer, der Spanier Josep Borrell, wirkte schon bei seiner Ankunft in Luxemburg erschöpft. "Es war ein langes, intensives Wochenende", erklärte er den wartenden Journalisten, bevor die Gespräche losgingen.
Sorge um den Sudan
Um so viele Europäer wie möglich aus dem Sudan in Sicherheit zu bringen, war viel telefoniert worden, zwischen Brüssel und den Hauptstädten. Wer hat noch Platz im Flugzeug, wer konnte mehr als die eigenen Staatsbürger mitnehmen? Am Morgen waren mehr als 1000 Menschen aus dem Sudan in Sicherheit gebracht worden. In elf Flügen am Sonntag, bis Montagnachmittag folgten 20 weitere Flüge.
Borrell dankte Frankreich für das Ausfliegen der Mitarbeiter des Europäischen Diplomatischen Dienstes, Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg dankte Deutschland. Es drohe ein Bürgerkrieg, so Schallenberg, er sei deshalb mit seiner deutschen Amtskollegin Annalena Baerbock in Kontakt gewesen und habe sich bei ihr bedankt. Dank der deutschen und auch der französischen Unterstützung sei es gelungen, fast die Hälfte der Österreicher außer Landes zu bringen.
Was ist mit den Dagebliebenen?
Die eigentliche Katastrophe, auch darüber waren Europas Außenminister sich einig, droht jetzt aber den Menschen, die den Sudan nicht verlassen können. Rund ein Drittel der Bevölkerung, nach Angaben der Vereinten Nationen ungefähr 16 Millionen Menschen, brauchen Überlebenshilfe von außen.
Aus europäischer Sicht geht es auch um die Stabilität in der gesamten Region im Nordosten Afrikas. Der Sudan dürfe nicht implodieren, so der EU-Chefdiplomat Borrell, sonst würde das Schockwellen senden in ganz Afrika.
Schon jetzt sind viele Menschen in die Nachbarländer geflohen: nach Ägypten, in den Tschad und in den Süd-Sudan. Ziel der EU sei es weiterhin, zu vermitteln und eine politische Lösung zu finden im Machtkampf zwischen den beiden rivalisierenden Militärführern des Landes. Als Zeichen, dass die EU den Sudan nicht im Stich lässt, verbleibt der Sicherheitschef des Europäischen Auswärtigen Dienstes vorerst im Land.
Ein Affront des chinesischen Botschafters
Und noch eine heikle Geschichte vom Wochenende mussten die Außenminister in Luxemburg aufarbeiten, wenn auch aus einer ganz anderen Region. Ein Interview des chinesischen Botschafters in Paris hatte einen Proteststurm ausgelöst. Vor allem in Osteuropa. Die Länder, die früher zur Sowjetunion gehörten, so hatte Botschafter Lu Shaye in einem Interview mit dem französischen Nachrichtensender LCI erklärt, hätten keinen wirksamen Status. Mit anderen Worten, sie seien im Grunde keine souveränen Staaten.
"Völlig inakzeptabel", donnerte es daraufhin fast einstimmig von mehreren europäischen Außenministern zurück, vor allem von den baltischen. Und Tschechiens Außenminister Jan Lipavsky sagte, er könne nur hoffen "dass die Chefs dieses Botschafters die Sache richtig stellen".
Eine Art Richtigstellung kam dann am Nachmittag aus Peking. "China respektiert den souveränen Status der früheren Sowjetrepubliken nach der Auflösung der Sowjetunion", sagte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums. Die Position Chinas sei "beständig und klar".
Vom diplomatischen Pfad abgekommen
Trotzdem blieb Misstrauen beim EU-Außenministertreffen - und ein Fragezeichen. Kann es sein, dass der chinesische Botschafter wirklich auf eigene Faust gehandelt hat? Oder sollte er im Auftrag seiner Regierung in Peking einfach einmal die Schmerzgrenze der Europäer austesten?
Die französische Tageszeitung beschreibt Lu Shaye als einen Botschafter, der öfter mal "vom diplomatischen Pfad abweicht" und für polemische Übertreibungen bekannt ist. In den drei Jahren in Paris sei er schon mehrmals in den Quai d’Orsay einbestellt und zur Ordnung gerufen worden. Und einmal, das hebt Libération ausdrücklich hervor, sei er einfach nicht zur Einberufung erschienen. Ob eine solche Missachtung jemals zuvor in der Geschichte des Quai d‘Orsay vorgekommen ist, lässt Libération offen.