Nordirland-Einigung mit EU Was sagen die Brexit-Hardliner?
Als "Meilenstein" wird die Nordirland-Einigung mit der EU in der britischen Presse gefeiert. Unklar ist aber, wie viel Rückhalt Premier Sunak dabei in seiner Konservativen Partei hat.
"Historisch" wird dieses Abkommen genannt, ein "Meilenstein" heißt es in den Kommentaren englischer Zeitungen. Doch all das wird Premierminister Rishi Sunak nicht helfen, wenn es am Widerstand in der eignen Partei scheitert sollte.
Fast eine halbe Stunde lang sprach Sunak gestern im Unterhaus und legte dar, warum das Verhandlungsergebnis aus seiner Sicht einen Durchbruch darstellt: "Tausende Seiten EU-Gesetzgebung werden aufgehoben, das ist der Durchbruch, das sind die Änderungen, die wir liefern. Nun geht es darum, voranzuschreiten als geeintes Vereinigtes Königreich", appellierte der Premier an die Abgeordneten.
EU zeigt Entgegenkommen
Natürlich werden auch weiterhin EU-Gesetze gelten, aber grundsätzlich ist die Europäische Union der britischen Regierung sehr entgegengekommen. Denn künftig dürfen englische Produkte nach Nordirland ausgeführt werden, und wenn dies beispielsweise Gemüse ist oder Würstchen für nordirische Supermärkte, sollen EU-Regeln gar nicht greifen.
Hinter Rishi Sunak in den Reihen saß Theresa May, die ehemalige Premierministerin, die 2018 bereits gescheitert war mit der anspruchsvollen Aufgabe, ein Austrittsabkommen auszuhandeln und deswegen 2019 von der eigenen Partei abserviert wurde.
Johnson-Anhänger könnten dagegen stimmen
Hinter ihm saßen aber auch die Brexit-Ideologen, die jede Einigung mit der Europäischen Union für einen Verrat an den Wählern halten. Steckt genug drin in diesem Kompromiss, um sie zufriedenzustellen? Sunak, der zwei Anläufe brauchte und die gescheiterte Premierministerin Liz Truss, um Regierungschef zu werden, warb mit einem Vetorecht für die Regionalregierung in Nordirland. Durch eine besondere Regel können die Abgeordneten des Regionalparlaments neue EU-Vorgaben blockieren.
Wie groß der Widerstand in der eigenen Partei ist, das ist derzeit schwer einzuschätzen. Britische Medien berichteten, es seien höchstens 20 bis 30 Abgeordnete, die nicht für die Vereinbarung stimmen würden, vor allem Anhänger von Boris Johnson. Doch das würde bedeuten: Sunak bekommt eine eigene Mehrheit zusammen, entgeht einer Demütigung im Parlament.
Nordirische DUP könnte Ärger machen
Labour hatte bereits angekündigt, für den Kompromiss mit der EU zu stimmen, argumentiert aus staatsmännischer Verantwortung heraus: "Diese Einigung erlaubt es uns, als Land voranzuschreiten und uns nicht in endlosen Debatten mit unseren Partnern zu verlieren", sagte Labour-Chef Keir Starmer, der einst den Brexit verhindern wollte, aber heute glaubt, mit einem Rücktritt vom Brexit keine Wahlen mehr gewinnen zu können.
Offener Konflikt zeichnet sich mit der nordirischen DUP ab, der Partei der Unionisten, die Bedingungen gestellt hatten und das Nordirland-Protokoll eigentlich ganz gestrichen sehen wollen: "Es kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass in einigen Bereichen Nordirlands EU-Recht nach wie vor Anwendung findet", sagte DUP-Chef Jeffrey Donaldson.
Die Partei verfügt über nur acht Abgeordnete im britischen Unterhaus, doch der Widerstand der DUP hat vor allem Auswirkungen im Regionalparlament von Nordirland. Dort blockiert die Partei die Regierungsbildung - und das seit Monaten. Viele Nordiren sind genervt angesichts zahlreicher Aufgaben, die gelöst werden müssten: angesichts eines Friedensabkommens, das mühsam ausgehandelt wurde vor 25 Jahren und angesichts eines Konflikts, der immer noch seine Schatten wirft ins Jahr 2023.