Sieben Tote in den Dolomiten Noch viele Vermisste nach Gletscherabbruch
Nach dem Gletscherabbruch in den Dolomiten mit inzwischen sieben Toten geht die Suche nach Vermissten weiter. Zwei Deutsche sind offenbar verletzt gerettet worden. Die Rettungsarbeiten sind schwierig - weitere Abbrüche drohen.
Die Rettungskräfte befürchten, dass sich die Zahl der Opfer weiter erhöhen wird. Immer mehr Menschen würden sich melden, die Verwandte und Bekannte vermissten, die gestern zu einer Bergtour an der Marmolata in den Dolomiten aufgebrochen waren. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa geht die Bergwacht Trient mittlerweile von mindestens 17 Menschen aus, nach denen noch gesucht wird.
Inzwischen ist die Zahl der Todesopfer laut Polizei auf sieben gestiegen. Vier von ihnen seien identifiziert, es soll sich nach Medienberichten um drei Italiener und einen Tschechen handeln. Acht Bergsportler konnten verletzt gerettet worden, darunter auch zwei Deutsche. In der Nacht waren die Rettungsarbeiten aus Sicherheitsgründen unterbrochen worden.
Drohnenflüge am Unglücksort
Am Vormittag hat die Feuerwehr am Unglücksort Drohnenflüge durchgeführt, um nach Vermissten zu suchen, aber auch um zu überprüfen, ob Rettungskräfte in den Berg können. Die Rettungsarbeiten, sagt Mario Brunello von der Bergwacht Trient, seien eine Herausforderung.
Abhängig von einer Gefahrenanalyse, werden wir entscheiden, wie wir vorgehen. Mit Hilfe von Drohnen können wir eventuell auch sehen, ob wir irgendwo menschliche Körper oder Überlebende entdecken. Auf jeden Fall ist es hochgefährlich, in die Lawinenmasse zu gehen. Auch gestern Abend hat es noch weiter Abbrüche gegeben.
Massiver Eisabbruch von 200 Metern Breite
Gestern Nachmittag war die Lawine durch einen massiven Eisabbruch an der Punta Rocco ausgelöst worden, der höchsten Spitze der Marmolata. Eine Eismasse von 200 Metern Breite war daraufhin mit rund 300 Stundenkilometer Geschwindigkeit zu Tal gerast - auch über die Route, die von Bergsportlern üblicherweise zum Aufstieg auf die Marmolata genutzt wird. Die italienischen Medien sprechen von der größten Katastrophe dieser Art, die es je in den Alpen gegeben hat.
Mario Brunello von der Bergwacht Trient sagt: "Ein derartiger Abbruch ist absolut außergewöhnlich. Klar, es gab hier immer Lawinen im Winter und im Sommer. Aber so etwas hat es noch nicht gegeben. Und es hat auch niemand vorausgesehen. Das Eis hat sich wirklich ganz unten vom Felsen gelöst."
Wissenschaftler: Hohe Temperaturen Schuld am Abbruch
Daniele Cat Berro von der Italienischen Fachgesellschaft für Meteorologie gibt den hohen Temperaturen die Schuld am Eisabbruch. Gestern sei es am Gipfel der Marmolata zehn Grad warm gewesen - eine Temperatur, die früher höchstens im August erreicht worden sei. Dadurch, so der Wissenschaftler, habe sich zwischen den Eismassen und dem Felsen Wasser gebildet - und das Eis sei dann als Lawine zu Tal gestürzt.
Messner: Gletschersturz als Folge des Klimawandels
Der bekannte Bergsteiger Reinhold Messner sagt, der Gletschersturz an der Marmolata sei die Folge des Klimawandels und der Erderwärmung. Diese, so Messner, würden die Gletscher "wegfressen". Die Veränderungen an den Gletschern der Alpen in den vergangenen Jahren seien dramatisch, meint auch Bergführer Cesare Pastore. Seinen Kollegen, die gestern Bergsportler die Marmolata hinaufgeführt haben, will Pastore aber keinen Vorwurf machen:
Der Zustand der Gletscher war schon ziemlich prekär, auch weil es im Winter so wenig Schnee gegeben hat. Dann diese Temperaturen, das macht Abbrüche wahrscheinlich. Aber dass es an diesem Punkt einen Abbruch geben könnte, war nicht klar. Das war sehr, sehr schwer vorherzusehen.
Draghi am Unglücksort erwartet
Aufgrund der Schwere der Katastrophe wird auch Italiens Regierungschef Mario Draghi zum Unglücksort fahren, um sich vor Ort ein Bild von den Rettungsarbeiten zu machen. In der Ortschaft Canazei am Fuße der Marmolata haben die Rettungskräfte ein Lagezentrum eingerichtet.