Parlamentswahl in Bulgarien Progressiver Petkow will es nochmal wissen
2022 hatte Bulgarien mit Kiril Petkow kurzzeitig einen Regierungschef, dem die Menschen wirkliche Korruptionsbekämpfung zutrauten. Seine Koalition brach schnell auseinander, jetzt versucht er es erneut.
Der 22. Juni vergangenen Jahres war ein bitterer Abend für den damaligen Premierminister Kiril Petkow. Er wurde durch ein Misstrauensvotum im Parlament gestürzt - mit einem sehr knappen Ergebnis.
Der 42-Jährige war der Hoffnungsträger vieler Bulgaren, ein smarter bulgarisch-kanadischer Unternehmer mit Harvard-Abschluss, Chef der neuen Anti-Korruptionspartei "Wir setzen den Wandel fort". Er kommentierte seinen Sturz damals mit emotionalen Worten: "Wir versprechen, wir werden weiter dafür kämpfen, uns unser Land zurückzuholen. Eines Tages werden wir ein Bulgarien haben, ohne Hinterzimmer-Politik, ohne Mafia. Ein normales, erfolgreiches europäisches Land."
Der Vorgang hat gezeigt, wie schwierig es für Bulgarien ist, das alte als korrupt geltende System von Bojko Borissow und seiner GERB-Partei zu überwinden. Petkows damalige Vier-Parteien-Koalition brach nach nur siebeneinhalb Monaten auseinander, vor allem wegen der Partei "Es gibt ein solches Volk" des TV-Entertainers Slawi Trifonow.
"Komplexe Koalition von vier Parteien"
Am Ende sei es ums Geld gegangen, sagt Boris Popiwanow, Dozent für Politikwissenschaft an der Universität Sofia: "Es war eine sehr komplexe Koalition von vier Parteien, von der jede eine andere Agenda hatte." Petkow habe angefangen, die Korruption in verschiedenen Institutionen zu stoppen. "Als er sich das Ministerium für regionale Entwicklung und Bau vorknöpfen wollte, kam es zum Bruch der Regierungskoalition", so Popiwanow.
Das Ministerium habe unter der Kontrolle der Partei des TV-Entertainers Trifonow gestanden und schon zu Borissows Zeiten mit Straßenbaufirmen zusammengearbeitet, die laut Pipanow hohe Rechnungen stellten und dann oft gar nichts bauten. "Diese Praxis wollte Trifonows Partei gerne weiterführen, sie sah das Infrastrukturministerium als Chance, an Milliarden-Geldflüssen zu partizipieren."
Trifonow gilt als chancenlos
Trifonow ist beim bulgarischen Wähler mittlerweile untendurch. Die Umfragen sehen seine Partei unter der Vier-Prozent-Hürde. Doch auch Petkow sehen die Umfragen vor einer schwierigen Ausgangslage. Sein neues erweitertes Anti-Korruptionsbündnis aus den Parteien "Wir setzen den Wandel fort" und "Demokratisches Bulgarien" liegt demnach gleichauf mit Borissows GERB bei jeweils etwa 25 Prozent. Der Rest der Stimmen verteilt sich vor allem auf pro-russische Sozialisten und Nationalisten und die "Bewegung für Rechte und Freiheiten" (DPS), die sich vor allem für die Rechte der türkischen Minderheit einsetzt.
Petkow gibt sich dennoch optimistisch, eine neue Minderheitsregierung anführen zu können. "Wir sind uns absolut sicher, dass wir das beste Ergebnis bei dieser Wahl erzielen werden. Und dann bieten wir eine positive Agenda an: Wirtschaftswachstum, Innovationen, soziale Reformen, den Beitritt in den Schengenraum und in die Eurozone. Und dann sind die anderen Fraktionen des Parlaments gefragt und es wird schwer für sie sein, so einer Regierung das Mandat zu verweigern."
Allerdings passierte nach der jüngsten Wahl im vergangenen Herbst genau das. Petkows Partei brachte als zweitstärkste Fraktion ihr Regierungsmandat nicht durch. Mit der stärksten Fraktion, Borissows GERB, wollte niemand regieren.
Unterstützung von EVP
GERB bekam im Wahlkampffinale wieder Unterstützung von der konservativen EVP-Parteienfamilie im Europaparlament, der GERB selbst auch angehört. Der EVP-Vorsitzende, der CSU-Politiker Manfred Weber, warb am Donnerstag bei einer GERB-Wahlkampfveranstaltung in Varna für die Partei: "In der Zeit, als GERB mit Bojko Borissow regiert hat, hatten wir Stabilität. Seitdem wir nicht mehr in der Regierung sind, haben wir Instabilität, Inflation und Unsicherheit. Bulgarien braucht wieder Stabilität - und deswegen muss GERB gewählt werden."
Was Weber nicht erwähnte: Die GERB-Regierung wurde 2021 nach Massenprotesten in mehreren bulgarischen Städten abgewählt. Die Demonstranten beklagten, dass die Korruption ein unerträgliches Ausmaß erreicht habe. Unter GERB wurde Bulgarien zum ärmsten Land der EU mit der größten Ungleichheit in der Bevölkerung.