Anschlag in Ankara Türkische Regierung macht PKK verantwortlich
Bei einem Angriff auf ein Rüstungsunternehmen in der Türkei sind mehrere Menschen getötet worden. Innenminister Yerlika sprach von einem Terroranschlag der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die Armee griff Ziele im Irak und in Syrien an.
Der türkische Innenminister Ali Yerlikaya hat den Angriff auf ein staatliches Rüstungsunternehmen in Ankara mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK in Verbindung gebracht. Der Anschlag trage die Handschrift der PKK, sagte Yerlikaya, ohne weitere Details zu nennen.
Bei dem Angriff auf dem Gelände der Türkischen Luft- und Raumfahrtindustrie (TUSAS) sind nach Angaben von Yerlikaya mindestens fünf Menschen getötet und 22 weitere verletzt worden. Auch zwei mutmaßliche Angreifer seien tot - ein Mann und eine Frau. Ihre Identität werde noch geklärt, so Yerlikaya.
Vizepräsident Cevdet Yilmaz zufolge sind vier der Opfer Mitarbeiter des Unternehmens. Das fünfte Todesopfer sei ein Taxifahrer. Wenige Stunden nach dem Angriff hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan auf dem Kurznachrichtendienst X von einem "feigen Anschlag" auf ein Zugpferd der türkischen Verteidigungsindustrie gesprochen.
Überwachungskameras zeigen mutmaßliche Attentäter
Medien veröffentlichten Aufnahmen von Überwachungskameras, die die mutmaßlichen Attentäter mit Schusswaffen zeigen sollen. Auf Videoaufnahmen war zudem eine Explosion zu sehen, im Hintergrund waren Schüsse zu hören. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu wurden Mitarbeiter des Unternehmens in Bunkern in Sicherheit gebracht.
ARD-Korrespondentin Katharina Willinger berichtete, auf Bildern von dem Gelände sei Militär zu sehen gewesen. Der Unternehmensstandort liegt bei einem Armeestützpunkt. Auch die Sicherheitsmaßnahmen rund um das Parlament im Zentrum Ankaras wurden erhöht. Die türkische Rundfunkbehörde Rtük verhängte eine Nachrichtensperre zu dem Thema.
Türkische Kampfjets attackierten Stellungen mutmaßlich militanter Kurden im Irak und in Syrien. Mehr als 30 Ziele seien zerstört worden, hieß es in einer Mitteilung des Verteidigungsministeriums. Nach Regierungsangaben zündeten Angreifer am Mittwoch am Standort des Konzerns Tusas am Stadtrand von Ankara Sprengsätze und eröffneten das Feuer. Fünf Menschen wurden getötet, mehr als zwölf weitere verletzt. "Unsere Luftangriffe werden auf entschlossene Weise fortgesetzt", hieß es weiter. Die Türkei geht regelmäßig gegen die PKK mit Hauptquartier in den nordirakischen Kandilbergen vor, ebenso gegen die syrische Kurdenmiliz YPG im Norden Syriens, die sie als Ableger der PKK betrachtet.
"Augapfel" der türkischen Verteidigungsindustrie
Das Unternehmen Türkische Luft- und Raumfahrtindustrie (TUSAS) ist eine Tochtergesellschaft der staatlichen Agentur für Verteidigungsindustrie. Die Firma ist unter anderem ein bedeutender Produzent von Kampfflugzeugen und Drohnen. TUSAS hat etwa die Prototypen des türkischen Kampfflugzeuges Kaan mitentwickelt.
Yerlikaya nannte die Firma einen "Augapfel" der heimischen Rüstungsindustrie. In der Türkei findet in dieser Woche eine Verteidigungs-, Luft- und Raumfahrtmesse statt. Exporte des türkischen Verteidigungssektors sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen.
Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich angesichts des Anschlags "erschüttert". Auf X schrieb er: "Wir verurteilen Terrorismus in jeder Form aufs Schärfste und stehen an der Seite unseres Partners Türkei."
Spekulationen über neuen Friedensprozess
Der jetzige Anschlag ereignet sich kurz nachdem die Ultranationalisten der Partei MHP überraschend eine mögliche Freilassung des PKK-Führers Abdullah Öcalan thematisiert hatten. Die MHP, Erdogans Regierungspartner, hatte dies jedoch an eine Entwaffnung der Terrororganisation geknüpft. Beobachter werten dies als ein Zeichen dafür, dass es möglicherweise zu einem neuen Friedensprozess zwischen Regierung und PKK kommen könnte. Der letzte Versuch war 2015 gescheitert.
Die PKK kämpft seit 1984 gegen den türkischen Staat und wird von Ankara und seinen westlichen Verbündeten als Terrororganisation eingestuft. Das türkische Militär führt im Nordirak regelmäßig Militäreinsätze zu Land und in der Luft gegen die PKK und ihre Stellungen aus.
In der Vergangenheit hatten sowohl die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK als auch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) immer wieder Anschläge verübt, auch in der Hauptstadt Ankara.
Mit Informationen von Uwe Lueb und Katharina Willinger, ARD-Studio Istanbul