Syrien-Debatte im EU-Parlament Außenpolitischer Offenbarungseid der EU
Zu zögerlich, zu unentschlossen - die Kritik an der EU-Außenbeauftragten Ashton klingt massiv. In der Debatte im EU-Parlament über die aktuelle Situation in Syrien rissen die Vorwürfe gegen die Britin nicht ab. Dabei erwarten die Abgeordneten nur eins: eine klare Positionierung, verbunden mit wirklichen Sanktionen gegen das Assad-Regime.
Von Martin Durm, ARD-Hörfunkstudio Straßburg
Das also ist die Generaldebatte zur Außenpolitik der EU, zur Lage in Nordafrika, zur Frage, wie Europa auf die Umwälzungen in seiner Nachbarschaft reagiert: Am Rednerpult steht Lady Ashton, die sogenannte Außenministerin der EU, und hat vor sich ein Plenum, in dem die meisten Abgeordnetenbänke unbesetzt sind.
Es ist 9.30 Uhr und das scheint für viele Parlamentarier einfach zu früh sein, um sich Lady Asthons Apell an die Machthaber Syriens anzuhören. "Wir sagen, ändert euren Kurs und ändert ihn jetzt." Es ist aber wohl eher davon auszugehen, dass Baschar al Assad nicht sehr beeindruckt sein dürfte von diesem Appell der Europäer.
40 Minuten spricht Lady Ashton und ihre Ausführungen bestehen zum größten Teil darin, den Abgeordneten zu erklären, wo sie in letzten Zeit überall war und mit wem sie schon alles über den Nahen Osten gesprochen hat: "... mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in Kairo, mit Vertretern der Rebellen in Libyen und in Gaza." Da sei sie sogar zweimal gewesen, sagt Catherine Ashton, so als müsse sie hier eine Art Tätigkeitsbericht liefern.
Wo bleibt Ashtons klare Position?
Muss sie aber nicht. Die Abgeordneten, die hier anwesend sind, erwarten eigentlich von einer Außenministerin der EU, dass sie angesichts der dramatischen Umwälzungen in der arabischen Welt klare Positionen bezieht. Weil aber genau das nicht geschieht, platzt dem Vorsitzenden der Liberalen Fraktion Guy Verhofstadt irgendwann schier der Kragen: "Gestern hatten wir einen Internetdialog mit Demonstranten in Syrien. Die Leute flehten uns an: Verschärft die Sanktionen. Wenn ihr das nicht tut, wird Assad weiter auf uns schießen, er wird nicht aufhören."
Die EU müsse dem Regime klarmachen, dass sie es nie mehr als legitimer Vertreter des syrischen Volkes ansehen werde und dass es zur Verantwortung gezogen werde, für das, was es tut, sagte Verhofstadt weiter.
Lady Ashton erwiderte, die EU habe doch schon Sanktionen gegen Syrien verhängt. Ja, meinte Verhofstadt verbittert, und was für Sanktionen: "Da werden 800 Menschen am Tag getötet, 8000 sind im Gefängnis, werden gefoltert. Und was tun wir? Wir frieren das Auslandsvermögen von 30 regimenahen Leuten ein - aber nicht das von Assad. Das ist doch alles lächerlich, das bringt doch Assads Regime nicht unter Druck."
EU - chronisch gelähmt und unfähig zu reagieren
Das ganze außenpolitische Elend der EU offenbart sich an diesem Morgen in Straßburg: Ihre chronische Lähmung und Unfähigkeit, schnell und geschlossen auf dramatische Entwicklungen zu reagieren. Ihre Spaltung angesichts des Bürgerkrieges in Libyen, wo sich Deutschland dem Militäreinsatz der NATO verweigert, während sich Frankreich, Großbritannien und Italien engagieren.
Und ihr Mangel an Solidarität mit der Demokratiebewegung Ägyptens, die viel zu spät die Unterstützung der Europäer zu spüren bekam. Sie sei aber schon dreimal in Ägypten gewesen, sagt Europas Chefdiplomatin, nur hat das eben bislang kaum jemand bemerkt. Und Martin Schulz, der Vorsitzende der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament fragt: "Was ist eigentlich die Rolle dieser Union als eigenes Organ in der internationalen Politik?" Es scheint darauf weder in Straßburg noch in Brüssel eine Antwort zu geben.