Kroatien und EU unterzeichnen Beitrittsvertrag Wie fit ist Mitglied Nummer 28?
Die EU hat Kroatien als 28. Mitglied aufgenommen. Beim EU-Gipfel in Brüssel unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs den Beitrittsvertrag für 2013. Der Nachbar Serbien hingegen wurde erneut vertröstet. Der EU-Gipfel lehnte es ab, dem Land den Beitritts-Status zuzubilligen. Doch auch in Kroatien gibt es noch viele Probleme - und längst nicht alle Kroaten sind vom Beitritt überzeugt.
Von Stephan Ozsváth, ARD-Studio Südosteuropa
"Das ist ein historischer Augenblick. Wir dürfen feiern, wir dürfen uns freuen. Jetzt können wir einen Strich drunter machen. Der Traum, den wir lange geträumt haben, ist Wirklichkeit geworden." So hörte sich die kroatische Konservative Jadranka Kosor am 1. Dezember an. Das Europaparlament hatte gerade grünes Licht für den EU-Beitritt des Landes gegeben.
Drei Tage später wurde sie abgewählt. Jahrelang hatte Kosor für den EU-Beitritt Kroatiens gekämpft. Jetzt durfte sie noch den Beitrittsvertrag unterschreiben, dann muss sie abtreten von der Regierungsbühne. Auf den Regierungssessel klettert wohl der Sozialdemokrat Zoran Milanovic: "Wir treten der EU bei - das ist eine große Herausforderung, eine Chance, dass wir uns als kleines, offenes Land präsentieren", meint auch er.
Kleines Land, große Probleme
Kroatien ist ein kleines Land, hat aber große Probleme. Viereinhalb Millionen Einwohner gibt es - aber mehr Rentner als Berufstätige. Jeder Sechste hat keinen Job. Und auch Kroatien hat über seine Verhältnisse gelebt - die Schulden sind zu hoch. Experten warnen schon: Der Schuldenberg könnte sogar noch ein bisschen höher werden. "Die Zinsen für kroatische Staatsanleihen sind jetzt bei 6,5 oder 6,6 Prozent", sagt etwa der Zagreber Politikwisschenschaftler Nenad Zakosek. Das seien Werte, die in Italien zum Fall der Regierung Berlusconi geführt hätten. "Sollte noch einmal die Bonität herabgesetzt werden, bin ich sicher, wird Kroatien die Hilfe des IWF anfordern müssen", prophezeit er.
Viele Hoffnungen indes verbinden Bankmanager und Unternehmer mit dem EU-Beitritt - so die jüngste Umfrage der Deutsch-Kroatischen Industrie- und Handelskammer. Denn es wird noch mehr Geld aus Brüssel fließen. Und wirtschaftliches Potential gibt es in Sachen Infrastruktur, erneuerbare Energien oder Tourismus - schon zu jugoslawischen Zeiten ein wichtiger Devisenbringer.
Flitterwochen bald vorbei?
Aber Wahlsieger Zoran Milanovic warnt bereits: Der Honeymoon - die Flitterwochen werden bald vorbei sein: "Jahrelang wurde am EU-Beitritt gearbeitet, viele Gesetze wurden übernommen. Aber diese Gesetze müssen auch umgesetzt werden. Die richtigen Reformen stehen noch vor uns."
Etwa Korruption: Das Thema steht weiter auf der Tagesordnung. Auch wenn die bisherige Regierungschefin Kosor sogar vor Königsmord nicht zurückschreckte. Sie setzte ihren früheren Mentor, Ex-Premier Sanader auf die Anklagebank. Aber ihre Partei HDZ hat die Wahl auch verloren, weil in den eigenen Reihen immer noch zu viele korrupt sind.
Die Rentner will der Neue, Milanovic, nicht verprellen - eine Mindestpension müsse bleiben, sagt er. Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst soll es nicht geben. Aber eine Leistungskontrolle bei Beamten. Die 16 Ministerposten werden wohl bleiben. Ledliglich die Staatssekretäre will Milanovic feuern - das seien nur Versorgungsposten der Vorgängerpartei HDZ gewesen.
Die Kroaten müssen noch überzeugt werden
Und die wichtigste Aufgabe bleibt noch: Er muss sein Volk noch davon überzeugen, dass der Weg in die EU der richtige ist. "Ich bin Busfahrer, und es wäre für mich leichter, die Grenzen zu passieren", sagt ein Passant. "Wenn wir dieselben Bedingungen wie die übrigen EU-Mitglieder haben, dann sollte es leichter für uns sein - keinesfalls schwerer", ein anderer. Aber es gibt auch kritische Stimmen: "Es ist unmöglich, dass wir gleichberechtigt sein können. Sehen Sie sich bloß unsere Größe und die Größe der EU an". Oder: "Wozu brauchen wir die EU? Wir haben das Meer, die fruchtbare Tiefebene - wir brauchen nicht mehr."
In einer aktuellen Umfrage des kroatischen Außenministeriums sind 61 Prozent der Kroaten für einen Beitritt. Das war schon mal anders. Das geplante Referendum in Kroatien dürfe aber nicht zu einem Flop werden, warnt der Politologe Zoran Kurelic: "Wenn Sie sich die Landkarte Europas anschauen, dann werden Sie sehen, dass nur Ex-Jugoslawien minus Slowenien plus Albanien heute außerhalb der EU ist, d.h. Kroatien würde in diesem schwarzen Loch bleiben."