Streit bei Anhörung der EU-Kommissare Berufung bulgarischer Kommissarin steht auf der Kippe
Der neuen EU-Kommission droht ein Debakel: Die bulgarische Außenministerin und designierte Entwicklungshilfe-Kommissarin Schelewa musste sich bei ihrer Anhörung im Europaparlament massiven Vorwürfen stellen. Dabei geht es um angeblich verheimlichte Nebeneinkünfte - und um Mafiagerüchte.
Die Anhörung der designierten EU-Kommissare in Brüssel ist von einem heftigen Streit über die Bulgarin Rumjana Schelewa überschattet worden: Im Europaparlament gab es massiven Widerstand gegen ihre Ernennung zur EU-Kommissarin für internationale Zusammenarbeit und humanitäre Hilfe. Der Grund: unklare Finanzverhältnisse und Mafiagerüchte. Die Berufung Schelewas steht damit auf der Kippe.
"Wir reden hier nicht über Gerüchte"
Die bulgarische Außenministerin bestritt, in ihrem offiziellen Lebenslauf unwahre Angaben über ihre geschäftlichen Interessen gemacht zu haben. Dem widersprach die liberale bulgarische Europaabgeordnete Antonyia Parvanova heftig: "Frau Schelewa sagt nicht die Wahrheit." Die Chefdiplomatin habe verschwiegen, dass sie von 2007 bis 2009 Anteile an einem Beratungsunternehmen hielt, sagte Parvanova und verwies auf offizielle Dokumente. Dies wäre ein Verstoß gegen den Verhaltenskodex der EU-Kommission. "Wir reden hier nicht über Gerüchte", sagte auch die Vorsitzende des Anhörungsausschusses, die französische Grüne Eva Joly. Das Parlament will die Angaben der 40-jährigen Konservativen nun überprüfen, bevor es über ihre Kandidatur entscheidet. Presseberichte, wonach ihr Ehemann Mafiakontakte habe, nannte Schelewa zudem "völlig unbegründet."
Kritik an weiteren Anwärtern
Kritik wurde auch an anderen Kommissionsanwärtern laut. Die europäischen Sozialdemokraten machten "ernsthafte Zweifel" an dem designierten Kommissar für Zoll und Betrugsbekämpfung geltend, dem Litauer Algirdas Semeta. Dieser sei Antworten schuldig geblieben, wie er die Verschwendung von EU-Mitteln verhindern und das Amt für Betrugsbekämpfung OLAF umbauen wolle, erklärte der SPD-Haushaltsexperte Jens Geier. Auch von Konservativen gab es Kritik an Semeta.
Jeder der 27 EU-Staaten benennt einen Kandidaten für die EU-Kommission. Danach entscheidet der EU-Kommissionspräsident in Abstimmung mit den Mitgliedsstaaten über die Ressortverteilung und schlägt die Kandidaten dem EU-Parlament vor. Die Eignung der Anwärter prüfen die Ausschüsse der jeweiligen Ressorts des EU-Parlaments. Die Abgeordneten können die EU-Kommission als Ganzes ablehnen, wenn sie mit einzelnen Kandidaten nicht einverstanden sind. Der EU-Kommissionspräsident wird auf Vorschlag der Mitgliedsländer direkt vom Parlament gewählt. Eine Begrenzung des Gremiums auf weniger Kommissare scheiterte in den Verhandlungen über den jetzt geltenden Vertrag von Lissabon, sodass bei der Aufnahme weiterer Länder die Zahl der Ressorts von derzeit 26 noch weiter steigen wird. Die Amtszeit der Kommission beträgt fünf Jahre.
Unionspolitiker kritisierten auch den Auftritt des künftigen Erweiterungskommissars Stefan Füle. Der Tscheche erteilte dem Konzept von Bundeskanzlerin Angela Merkel für eine "privilegierte Partnerschaft" mit der Türkei eine Absage. Damit stärkte Füle Bundesaußenminister Guido Westerwelle den Rücken, der für eine Weiterführung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wirbt.
Deutlich positiver beurteilten die Parlamentarier die künftigen Kommissare für Justiz und Bürgerrechte, die Luxemburgerin Viviane Reding, und den Belgier Karel de Gucht, der den Außenhandel verantworten soll. Reding will in ihrem neu geschaffenen Amt dem Datenschutz deutlich größeren Vorrang geben als bisher. Für den Einsatz der umstrittenen Körperscanner forderte sie scharfe Auflagen.
Neues Team soll am 1. Februar stehen
Kommissionspräsident José Manuel Barroso will die Arbeit mit seinem neuen Team eigentlich am 1. Februar aufnehmen. Zuvor ist aber die Zustimmung des Plenums des Europaparlaments erforderlich.
Mit den Anhörungen war am Montag begonnen worden. Den Anfang hatte neben anderen die neue EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton gemacht. Bis nächste Woche werden die übrigen Nominierten in den Fachausschüssen des Parlamentes befragt. Am Donnerstag ist der deutsche Bewerber Günter Oettinger an der Reihe, er soll Energiekommissar werden. Am 26. Januar will das Parlament dann über die Kommission als Ganzes abstimmen.