EU-Gipfel in Brüssel Westerwelles Debüt und das EU-Jobgeschacher
Gleich bei seinem ersten Auftritt in Brüssel wird der neue deutsche Außenminister Westerwelle das für den EU-Politikbetrieb so typische Suchen nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner kennenlernen. Denn beim Gipfel geht es auch um die Besetzung der Top-Jobs.
Von Michael Götschenberg, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Das Paar kommt mit sehr ungleichen Voraussetzungen nach Brüssel. Sie, die Kanzlerin, kennt die EU in- und auswendig und bewegt sich seit Jahren mit bemerkenswerter Sicherheit auf dem europäischen Parkett - und das kann gelegentlich durchaus sehr rutschig sein.
Das Duo Merkel und Westerwelle gibt heute sein Debüt auf europäischem Parkett.
Er dagegen wurde in Brüssel bisher noch nie gesehen. Will Guido Westerwelle als Außenminister eine gute Figur machen, so wird er sich aber vor allem innerhalb der EU sehr schnell profilieren müssen. Dabei wird er sich die ein oder andere Äußerung über den Brüsseler Politikbetrieb in Zukunft wohl verkneifen. "Wir wollen Europa für einen gemeinsamen Markt, für Frieden, für Stärke der Außenpolitik in der Welt. Aber wir wollen kein Europa, in dem eine nicht demokratisch legitimierte Behörde sich herausnimmt, den Bürgern vorzuschreiben, welche Leuchtmittel sie verwenden dürfen", wetterte Westerwelle noch vor Kurzem im Bundestag.
Von der Glühbirne zum Klimaschutz
Die Frage des Glühbirnenverbots wird ihn dabei schnell nicht mehr interessieren - obwohl sie in gewisser Weise etwas zu tun hat mit einem der ganz großen Themen, die in Brüssel auf dem Tisch liegen: dem Klimaschutz.
Die EU will Maßstäbe setzen bei den Verhandlungen über ein neues internationales Klimaschutzabkommen Ende des Jahres. Es ist aber noch immer nicht geklärt, wie die Kosten, die damit verbunden sind, innerhalb der EU verteilt werden sollen. Dabei wird Westerwelle beobachten können, wie mühsam die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen europäischen Nenner ist.
Es geht um die Top-Jobs
Merkel kennt das Thema bestens - die Klimaschutzziele wurden von ihr während der deutschen EU-Präsidentschaft in qualvoll langen Sitzungen ausgehandelt. Genau so wie der Lissabonvertrag und die Reform der EU. Die hat zwar die letzte Hürde noch nicht genommen - es fehlt noch eine Unterschrift, nämlich die des tschechischen Präsidenten. Aber mittlerweile geht es darum, die künftigen europäischen Spitzenposten zu vergeben, die der Lissabonvertrag schaffen wird.
Wer wird europäischer Außenminister? Und wen wählen die Staats- und Regierungschefs zum ersten EU-Präsidenten? Die Meinungen gehen weit auseinander. Der britische Premierminister Gordon Brown hat seinen Vorgänger ins Rennen geschickt: "Wenn der ehemalige Premierminister Tony Blair will, dann unterstützen wir ihn."
Merkel hält Blair für Fehlbesetzung
Merkel will den EU-skeptischen Blair auf jeden Fall verhindern. Sie hält ihn für eine Fehlbesetzung für Europas neuen Top-Job. Der Personalpoker ist hinter den Kulissen in vollem Gang. Merkel plädiert für den Regierungschef eines kleineren EU-Landes, wie den Niederländer Jan Peter Balkenende. Der wäre dann auch nicht so einflussreich wie jemand aus einem großen EU-Land.
...Jan Peter Balkenende der der Benelux-Staaten.
Auch der Luxemburger Jean Claude Juncker ist im Gespräch. Doch in Paris ist Nicolas Sarkozy für Tony Blair. Der erste EU-Präsident "sollte eine starke Persönlichkeit sein, denn Europa brauche das und habe das verdient", meint Sarkozy.
Kennenlernen am Fließband: 26 Kollegen auf einen Schlag
Gestern Abend war Merkel bei Sarkozy zum Abendessen. Das Thema EU-Präsident dürfte dabei eine große Rolle gespielt haben, nachdem sie die Glückwünsche und Küsschen zur Wiederwahl entgegen genommen hatte. Sarkozy würde auch gerne einen Franzosen als europäischen Außenminister nach Brüssel schicken. Die Frage, wer diesen Job bekommt, ist ähnlich kompliziert.
Fest steht wohl nur, dass es Guido Westerwelle nicht sein wird, denn der hat erst einmal mit seinem neuen Amt genug zu tun. An die quälend langen Sitzungen im Brüsseler Politikbetrieb kann er sich heute schon einmal gewöhnen. Immerhin lernt er dabei auf einen Schlag gleich alle seine 26 EU-Außenministerkollegen kennen.