EU-Plastikverbot Ein Problem in eine Chance verwandeln
Keine Strohhalme, keine Teller und kein Besteck mehr aus Kunststoff - die EU-Pläne zum Plastikverbot sind ambitioniert. Doch die Umsetzung könnte sich schwierig gestalten.
Schätzungsweise 37 Kilogramm Plastikmüll verursacht allein jeder Deutsche jedes Jahr. EU-weit ist der Müllberg gut 26 Millionen Tonnen schwer. Und ein nicht geringer Teil davon landet in der Umwelt, vor allem in den Meeren in Form gigantischer Müllstrudel von sogenanntem Mikroplastik. Die Folgen für Fische und Vögel, aber letztlich auch für den Menschen seien verheerend, betont EU-Kommissionsvize Frans Timmermans.
Plastik in der Luft, Plastik in den Ozeanen, in der Nahrung und auch in unseren Körpern - der Missstand, den der Niederländer anprangert, wird zu einem ernsten Problem. Deshalb sagte die EU-Kommission auch schon vor längerer Zeit dem Plastikmüll den Kampf an. Eine Richtlinie gegen Einweg-Plastiktüten gibt es bereits; nun legt die Behörde weitere konkrete Vorschläge auf den Tisch.
"Unsere Richtlinie deckt 70 Prozent des Plastikmülls ab, der an Europas Stränden zu finden ist", so Timmermans. "Wir zielen auf die zehn meistverbreiteten Einwegprodukte, die in der Umwelt landen und die sich nur sehr schwer recyceln lassen."
Schwarze Liste
Müll zu vermeiden hält die EU-Kommission immer noch für die beste Strategie. Kern der neuen Richtlinie, die Timmermans und sein finnischer Kollege Jürki Katainen in Brüssel präsentierten, ist daher eine Schwarze Liste mit Wegwerfartikeln, auf die man problemlos verzichten könnte. Auf der Verbots-Agenda ganz oben: zum Beispiel Plastikgeschirr und Plastikbesteck, wie sie bei Kinderpartys oder Grillfesten häufig verwendet werden.
"In der Praxis bedeutet das: Sie werden im Supermarktregal keine Wattestäbchen mehr aus Plastik finden", erklärt Timmermans. "Wohl aber solche aus einem umweltfreundlicheren Material. Dasselbe gilt für Strohhalme, Kaffeerührer, Ballonhalter und Teller."
Darüber hinaus nehmen die Kontrolleure eine Reihe von Wegwerfartikeln ins Visier, die zwar nicht verboten, wohl aber massiv zurückgedrängt werden sollen. Darunter Verpackungen für Fastfood oder Getränke, Plastikdeckel oder Luftballons.
Einsparungen im Milliardenbereich
Der Entwurf der Kommission nimmt dabei die Hersteller solcher Produkte verstärkt in die Pflicht. Für sie soll es finanzielle Anreize geben, weniger der praktischen, aber umweltschädlichen Helferlein zu produzieren. Neben der Kunststoffindustrie will man aber auch die Mitgliedsstaaten an den Kosten beteiligen, etwa für die Säuberung der Natur oder für Aufklärungskampagnen.
Auf lange Sicht, so der für Wachstum und Beschäftigung zuständige EU-Kommissar Katainen, spare die EU nicht nur geschätzte 6,5 Milliarden Euro, sie tue auch etwas für ihr gutes Gewissen und verschaffe sich international einen Wettbewerbsvorteil.
Die Grundidee sei, das Problem in eine Chance zu verwandeln. Einwegplastik, das wertvolle Ressourcen verschlinge, sei nun mal keine clevere Wahl - weder ökonomisch noch ökologisch, so der Finne.
Gestaffelte Ziele
Als erste wichtige Zielmarke nennen die EU-Kommissare das Jahr 2025. Bis dahin sollten mindestens 90 Prozent aller Getränkeflaschen aus Plastik in der EU recycelt werden. Wenn nötig mit Hilfe eines Pfandsystems, wie man es seit 2003 aus Deutschland kennt. Im Jahr 2030 soll die Quote dann bei 100 Prozent liegen.
Komplizierte Umsetzung
Die Pläne der Kommission sind ehrgeizig, doch ob und wann sie tatsächlich Gesetz werden, steht momentan in den Sternen. Sowohl das EU-Parlament, also auch die Regierungen der Mitgliedsstaaten müssten zustimmen. Dass man hier noch vor den nächsten Europawahlen, im Mai 2019, zu einem Kompromiss findet, ist mehr als fraglich.
Zum anderen gibt es an der Richtlinie schon jetzt viel Kritik: So bemängeln Umweltschützer und Grüne im Parlament, die vorgeschlagenen Maßnahmen griffen zu kurz. Der grüne EU-Abgeordneten Martin Häusling spricht von "Symbolpolitik". Statt Strohhalme oder Ballonhalter aus Kunststoff zu verbieten, rät er, vor allem gegen Plastikverpackungen von Lebensmitteln vorzugehen und das Recycling in allen Bereichen systematischer als bisher zu betreiben.