Niederlande übernehmen EU-Ratspräsidentschaft Ein Vorsitz in schwierigen Zeiten
Die Niederlande haben für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Angesichts der Terrorismusbedrohung und des Flüchtlingszustroms müsse die Union zusammengehalten werden, mahnt die Regierung in Den Haag: "Die Europäische Union wird stark auf die Probe gestellt."
Anders als bei der letzten niederländischen Ratspräsidentschaft 2004 wird es diesmal keine Regierungschefs geben, die mit der "Fiets" durch Amsterdam radeln, kein Medienspektakel mit stets wechselnden Tagungsorten und auch keine teuren Imagekampagnen. Nein, die Niederlande wollen ein "bescheidener" Gastgeber sein, sagt Außenminister Bert Koenders: "Bescheidenheit heißt auch, dass wir hier keinen Zirkus veranstalten. Es wird einen zentralen Versammlungsort geben: das Schifffahrtsmuseum in Amsterdam. Hier wird es begleitend zu den Sitzungen auch Ausstellungen über unser Land geben - über unsere Geschichte und Dutch Design. Also wir machen das eine Nummer bescheidener als 2004."
Alle EU-Sitzungen werden in einem Gebäude in Amsterdam stattfinden.
Ratspräsidentschaft hat an Bedeutung verloren
Damals war Hollands Premier Balkenende ein halbes Jahr lang so etwas wie der Regierungschef der EU. Seitdem es in Brüssel aber einen ständigen Ratspräsidenten gibt, ist der Einfluss der vorsitzenden Länder deutlich gesunken. Angesichts der vielen Krisen, die 2015 nicht gelöst werden konnten, hoffen viele Politiker dennoch auf eine starke Vermittlerrolle der Niederlande, vor allem, wenn es um eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge auf alle Mitgliedsstaaten, die Sicherung der Außengrenzen und die Bekämpfung des Terrorismus geht - immense Herausforderungen.
Rutte dämpft Erwartungen
Ministerpräsident Mark Rutte warnt daher vor allzu hohen Erwartungen: "Das ist ein kollektives Problem, vor dem wir als EU stehen. Das werden wir als Vorsitzender auch nicht mal eben auf die Schnelle lösen. Wir werden natürlich versuchen, Konflikte zu lösen, aber vor uns liegt ein hartes Stück Arbeit. Terrorismus, Zuwanderung, die Frage der EU-Mitgliedschaft Englands. Das sind große Themen.
Der niederländische Ministerpräsidenten Mark Rutte (links) mit EU-Kommissionspräsident Jean-ClaudeJuncker.
Anti-EU-Stimmung in den Niederlanden
Mit den Verträgen von Maastricht und Amsterdam haben die Niederlande in der Vergangenheit bewiesen, dass sie Vorkämpfer für eine starke, solidarische EU sein können. Doch die Stimmung im kleinen Polderland ist längst gekippt. Vielen Flüchtlingen im Land stößt blanker Hass entgegen, in allen Umfragen liegt der europa- und ausländerfeindliche Rechtspopulist Geert Wilders ganz vorne in der Gunst des Wählers. Und für den kommenden April haben Europakritiker ein Referendum über das Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine erzwungen. Gut zehn Jahre nach dem Nein zur Europäischen Verfassung könnte von den Niederländern also erneut ein klares Signal gegen zu viel EU und zu viel Brüssel ausgehen.
Hoffnung auf mehr Effektivität
Rutte weiß um die EU-Verdrossenheit seiner Landsleute und er weiß auch, woran das liegt. In Europa werde zu viel geredet, so der rechtsliberale Premier - zu viel geredet und zu wenig gehandelt. Die niederländische Regierung setzt daher in den kommenden sechs Monaten auf mehr Schlagkraft und mehr Effektivität: "Das größte Ärgernis sind nicht unsere Beschlüsse. Die sind meistens gut. Das Problem ist die Umsetzung dieser Entscheidungen: dass wirklich was passiert und wir gemeinsam in die richtige Richtung steuern."