EU-Parlament stimmt über Finanzplanung ab Erst ein symbolisches Nein, dann lange Verhandlungen?
Die Europaparlamentarier werden heute wohl den Kompromiss der Regierungen zur Finanzplanung bis 2020 ablehnen. Sie wollen mehr Geld. Doch die symbolische Resolution ist nur der Auftakt für lange Verhandlungen. Aus den Staaten wächst der Druck auf die Abgeordneten.
Von Cai Rienäcker, SWR-Hörfunkstudio Brüssel
Vor der wichtigen Abstimmung wurde im Europäischen Parlament noch herumgeflachst. Der Grüne Daniel Cohn-Bendit antwortete auf die Reporterfrage, ob die Europaabgeordneten den Mut haben werden, den Gipfel-Kompromiss mit großer Mehrheit abzulehnen: "Dieser Mann dahinten, der heißt Joseph Daul. Der hat die Antwort auf Ihre Frage, nicht ich."
Der aus dem Elsass stammende Daul ist der Fraktionschef der Christdemokraten im Europäischen Parlament. Die spontane Antwort an seinen grünen Kollegen: "Er hat nicht viele Staats- und Regierungschefs zu managen."
Der Druck aus den Hauptstädten wächst
Und genau das ist der springende Punkt bei der heutigen Abstimmung. In den großen Fraktionen gibt es seit ein paar Wochen den verstärkten Druck aus den nationalen Hauptstädten. Das gilt besonders für die europäischen Christdemokraten. Über Enthaltungen wird gemunkelt.
Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber ist grundsätzlich dafür, den nationalen Regierungen bei ihrer Finanzplanung für die nächsten sieben Jahre einen Denkzettel zu verpassen: "Der Rat muss natürlich lernen, dass die Zeit der Alleinherrschaft vorbei ist. Und wenn sie es jetzt noch nicht kapiert haben, dann werden sie es in den nächsten Monaten bei den Haushaltsverhandlungen sehr deutlich lernen."
Gemeinsamer Resolutionsentwurf der großen Fraktionen
Zur Abstimmung steht in Straßburg erst einmal nur eine Resolution, eine Erklärung der Europaparlamentarier. Dazu haben die vier großen Fraktionen von Christdemokraten, Sozialisten, Grünen und Liberalen einen gemeinsamen Textentwurf gemacht. Es habe eine Diskussion über das Wort "ablehnen" gegeben, berichtet der schwedische Sozialdemokrat Göran Färm: "Wir benutzen dieses Wort, aber das heißt nicht, dass wir endgültig Nein sagen. Wir weisen die Vorschläge in ihrer jetzigen Form zurück."
Die Abstimmung im Europäischen Parlament ist nur der Auftakt für Verhandlungen zwischen den EU-Regierungen und den Europa-Parlamentariern. Besonders stört die EU-Abgeordneten die große Finanzierungslücke in dem, was die Staats- und Regierungschefs für die kommenden sieben Jahre vorgeschlagen haben. Finanziellen Versprechungen in Höhe von 960 Milliarden Euro stehen nur 908 Milliarden an effektiven Zahlungen gegenüber.
"Die EU muss schuldenfrei bleiben"
"Unser Problem damit ist, dass dort ein Defizit vorgesehen ist von 52 Milliarden Euro", sagt der Liberale Alexander Graf Lambsdorff. "Die Europäische Union ist schuldenfrei. Nach unserer Auffassung muss sie auch schuldenfrei bleiben." Da müssten die Mitgliedsstaaten noch einmal ran und sagen, wie sie dieses Defizit vermeiden wollen. Deswegen könne man diesem Entwurf auch nicht zustimmen.
Nicht alle im Europäischen Parlament wollen unbedingt mehr Geld als beim letzten EU-Gipfel beschlossen. Einig ist sich die große Mehrheit in Straßburg aber darüber, dass Mittel, die in einem Jahr nicht abgerufen werden, anders als bisher auf die Folgejahre übertragbar sein sollen.
Weitere Abstimmung nach der Europawahl 2014
Nach der Europawahl im kommenden Jahr soll auch das neu zusammengesetzte Plenum noch einmal über den Finanzplan abstimmen können. In diesen Punkten hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel Verhandlungsbereitschaft signalisiert.
Von der Abstimmung gehe das Signal aus, dass die Regierungschefs endlich verstehen müssen, dass sie einen mehrjährigen Finanzrahmen nur in Abstimmung mit dem Parlament beschließen können, sagt der Grüne Cohn-Bendit. Er erhofft sich genauso wie EU-Parlamentspräsident Martin Schulz eine möglichst klare Mehrheit gegen den Gipfelbeschluss, um gestärkt in die Gespräche mit den Regierungen zu gehen.
Monatelange Verhandlungen?
Diese Verhandlungen könnten einige Monate dauern. Sollte es zu keiner Einigung kommen, würden die nächsten EU-Haushalte auf der Basis der bisherigen Finanzperiode fortgeschrieben. Das bringt zwar weniger Planungssicherheit.
Aber die EU könnte dann möglicherweise sogar mehr Geld ausgeben, als von den Staats- und Regierungschefs beschlossen.