Einigung beim EU-Gipfel Das Billionen-Finanzpaket steht
Die EU-Staaten haben sich im Kampf gegen die Corona-Wirtschaftskrise auf das größte Haushalts- und Finanzpaket ihrer Geschichte geeinigt. Der Kompromiss wurde nach tagelangen, zähen Verhandlungen am frühen Morgen angenommen.
Im Kampf gegen die Corona-Wirtschaftskrise haben sich die EU-Staaten auf das größte Haushalts- und Finanzpaket ihrer Geschichte geeinigt. Der Kompromiss wurde nach mehr als viertägigen Verhandlungen am frühen Morgen bei einem Sondergipfel in Brüssel von den 27 Mitgliedsstaaten angenommen. Die Einigung "zeigt unseren Glauben in unsere gemeinsame Zukunft", sagte EU-Ratspräsident Charles Michel, der auch Gastgeber des Gipfels war und die Einigung mit dem Wort "Deal!" auf Twitter verkündet hatte.
Zusammen umfasst das Paket 1,8 Billionen Euro - davon 1074 Milliarden Euro für den nächsten siebenjährigen Haushaltsrahmen und 750 Milliarden Euro für ein Konjunktur- und Investitionsprogramm gegen die Folgen der Pandemie-Krise.
"Am Schluss zusammengerauft"
Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich erleichtert über die Einigung. Es sei darum gegangen, Entschlossenheit zu zeigen. "Das war nicht einfach", sagte Merkel. Für sie zähle aber, "dass wir uns am Schluss zusammengerauft haben". Neue Verhältnisse erforderten auch außergewöhnliche neue Methoden, sagte Merkel. Sie sei "sehr erleichtert", dass Europa nach schwierigen Verhandlungen gezeigt habe, dass es "doch gemeinsam handeln kann", sagte die Kanzlerin. Das erfülle sie mit Hoffnung und Mut.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach von einem "historischen Tag für Europa". Er bezeichnete das Verhandlungsergebnis als Chance. Dafür sei es nötig gewesen, über sich hinauszuwachsen.
Merkel und Macron traten nach dem Ende des Gipfels gemeinsam vor die Presse und demonstrierten so Einigkeit.
EU nimmt erstmals Schulden auf
Mit dem Finanzpaket will sich die Europäische Union gemeinsam gegen den historischen Wirtschaftseinbruch stemmen und den EU-Binnenmarkt zusammenhalten. Gleichzeitig soll in den Umbau in eine digitalere und klimafreundlichere Wirtschaft investiert werden. Dafür werden erstmals im großen Stil im Namen der EU Schulden aufgenommen, das Geld umverteilt und gemeinsam über Jahrzehnte getilgt.
Am Montag waren zwei der umstrittensten Einzelpunkte gelöst und damit der Weg zum Gesamtdeal freigemacht worden. Zum einen fand man nach tagelangem Streit einen Kompromiss zum Kern des Corona-Programms: Die sogenannten sparsamen Staaten akzeptierten, dass gemeinsame Schulden aufgenommen werden und das Geld als Zuschuss an EU-Staaten geht.
Im Gegenzug willigten Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien ein, die Summe dieser Zuschüsse aus dem Corona-Programm von 500 Milliarden Euro auf 390 Milliarden zu verringern. Dazu kommen 360 Milliarden Euro, die als Kredit vergeben werden.
Knackpunkte: Höhe der Hilfen, Rechtsstaatlichkeits-Formel
Der zweite Knackpunkt wurde dann am Abend geklärt: Man fand eine Formel zur Koppelung von EU-Geldern an die Rechtsstaatlichkeit, die alle 27 Staaten annahmen. Zuvor hatten sich Polen und Ungarn strikt gegen einen solchen Rechtsstaatsmechanismus gewehrt, zumal gegen beide Staaten Verfahren wegen Verletzung von EU-Grundwerten laufen. Mehrere andere EU-Staaten beharrten jedoch darauf, dass EU-Gelder gebremst werden, wenn gemeinsame Werte missachtet werden.
Die Kompromissformel wurde von mehreren Staaten erarbeitet und in der Runde der 27 vom lettischen Regierungschef Krisjanis Karins vorgetragen. Die Interpretation der Klausel war unterschiedlich. Während EU-Vertreter sie als wirksame Koppelung bezeichneten, zitierte die polnische Nachrichtenagentur PAP polnische Regierungsquellen mit der Einschätzung, die Koppelung sei gestrichen worden. Ungarische Medien feierten die Einigung als Sieg für Ministerpräsident Viktor Orban.
Viele Überstunden bis zur Einigung
Die 27 Staats- und Regierungschefs drängten sich im Hauptsaal des Europa-Centers, stießen die Ellbogen aneinander und machten Witze, bevor sie das Paket final absegneten. Es war einer längsten EU-Gipfel überhaupt und ursprünglich auf nur zwei Tage angelegt.