Von der Leyen und Macron in China Mehr Abstand oder Annäherung?
Es ist eine schwierige Reise nach China für Frankreichs Staatschef Macron und EU-Kommissionschefin von der Leyen. Auch, weil die beiden sich von ihrem Besuch wohl Unterschiedliches versprechen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen schätzen einander. Ihnen wird in Brüssel ein störungsfreies politisches Verhältnis nachgesagt. Man kennt sich, man vertraut sich. Das dürfte ein Grund sein, weshalb beide zusammen nach China reisen.
Gemeinsam wollen sie versuchen, den starken Mann in Peking, Staats- und Parteichef Xi Jinping, dazu zu bewegen, dass er seinen Einfluss auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin nutzt - für eine Friedenslösung in der Ukraine. Allerdings sind die Hoffnungen bei Macron deutlich größer, von der Leyen ist eher skeptisch. Noch in der vergangenen Woche warnte sie vor Illusionen. "Wir haben eine Freundschaftsshow gesehen", sagte sie, als sie auf den Besuch von Xi bei Putin zu sprechen kam.
Keine Illusionen über Chinas Ziele
Von der Leyen hat kein Interesse, als Bittstellerin nach Peking zu fahren. Das machte sie kurz vor der Abreise deutlich, in einer chinapolitischen Grundsatzrede, die fast nichts ausließ, was sich in Brüssel an Ernüchterung über Pekings Kurs angestaut hat. Zum Beispiel, dass China sich weigert, klar Position gegen den Ukraine-Krieg zu beziehen.
Klartext auch bei der Frage, welche Ziele China im Verhältnis zur Europäischen Union und zum Rest der Welt verfolge. Es gehe Peking darum, "China weniger abhängig von der Welt zu machen und die Welt abhängiger von China zu machen". Auch sei offensichtlich, dass Xi sein Land "zur mächtigsten Nation der Welt machen will".
Auch beim Thema der Menschenrechtsverletzungen wurde von der Leyen konkret: Die Situation in der Provinz Xinjiang biete Anlass zu großer Sorge. In der Provinz lebt die Minderheit der muslimischen Uiguren. Sie werden mit Umerziehungsmaßnahmen drangsaliert, es gibt Berichte über Zwangsarbeit. In der Region produziert der Volkswagen-Konzern Autos - der Hinweis der Kommissionschefin war unüberhörbar. Dass deutsche Konzerne trotz wachsender Risiken im vergangenen Jahr so viel in China investiert haben wie nie zuvor - rund 11,5 Milliarden Euro - sieht Brüssel mit Sorge.
Deutschland ist EU-Spitzenreiter beim Handelsvolumen
"Frau von der Leyens Kurs stärkt nun all jene in Deutschland, die für eine deutlich taffere Politik gegenüber China eintreten - eine Politik, die die Risiken in den Vordergrund stellt." Zu dieser Einschätzung kommt Tim Rühlig von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Der China-Experte hält es für richtig, dass die EU die Risiken des China-Handels offen benennt und auch für staatliche Kontrollen eintritt, etwa bei Investitionen in sensiblen Bereichen wie der künstlichen Intelligenz. "Es gibt vor allem einige große Industrieunternehmen in Deutschland, die das sicherlich nicht besonders gutheißen werden", so Rühlig. Viele Mittelständler hätten sich dagegen schon längst umorientiert.
Risikominderung ist das Ziel der EU-Kommissionspräsidentin in der China-Politik. Dabei geht es ihr nicht darum, den Handel mit China grundsätzlich infrage zu stellen, sondern um den gezielten Abbau ökonomischer Abhängigkeiten. Deutschland würde das an erster Stelle betreffen, denn das deutsche Handelsvolumen ist um ein Vielfaches größer als das aller anderen großen EU-Länder, inklusive Frankreich.
Frankreich setzt eigene Wirtschaftsinteressen in den Fokus
Die Frage ist, wie sich von der Leyens kritischer Blick auf das China-Geschäft mit den etwas anders klingenden Reisezielen des französischen Präsidenten verträgt. Er wird die Interessen der französischen Wirtschaft verteidigen, das kündigte der Elysée-Palast in einer Presseerklärung an. Mehr als 50 Unternehmer nimmt Macron nach China mit. Das sieht eher nach einer Ausweitung des französischen China-Geschäfts aus.
Wichtig fürs Protokoll ist noch: Es war Macron, der von der Leyen eingeladen hat, mitzureisen - nicht umgekehrt. Vermutlich wolle der französische Präsident damit ein europäisches Signal senden, so China-Experte Rühlig. Aber er hat noch eine andere Erklärung: "Das ist auch ein kleiner Seitenhieb gegen den Bundeskanzler." Olaf Scholz hatte Macron im vergangenen Jahr bekanntlich abblitzen lassen bei dem Vorschlag, zu zweit nach China zu reisen.