Nicaraguanischer Dichter Ernesto Cardenal gestorben
Er war einer der bekanntesten Vertreter der lateinamerikanischen Befreiungstheologie: Der nicaraguanische Dichter und Regierungskritiker Ernesto Cardenal ist tot. Er starb mit 95 Jahren in der Hauptstadt Managua.
Der Befreiungstheologe und ehemalige nicaraguanische Kultusminister Ernesto Cardenal ist im Alter von 95 Jahren an den Folgen eines Nieren- und Herzversagens gestorben. Der mit zahlreichen Preisen geehrte Priester war bis ins hohe Alter als Schriftsteller aktiv. Als Vertreter der Befreiungstheologie setzte er sich gegen soziale Missstände und Ungerechtigkeiten ein. Cardenal nannte sich selbst "Sandinist, Marxist und Christ".
Der 1925 in Granada geborene katholische Priester wurde nach dem Sturz des Diktators Anastasio Somoza durch die linksgerichteten Sandinisten 1979 zum Kultusminister ernannt. Das Amt übte er bis 1987 aus.
Querdenker und Symbolfigur der Linken
Cardenal gelangte als Vertreter der sandinistischen Revolution und als Dichter zu großer internationaler Berühmtheit. Seine Lesereisen führten Cardenal ("Gesänge des Universums", "Das Evangelium der Bauern von Solentiname") bis zuletzt auch immer wieder nach Deutschland. 1980 wurde ihm der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen. 2005 war er für den Literaturnobelpreis nominiert worden. In Deutschland wurde der Querdenker mit Baskenmütze eine Symbolfigur der Linken.
Wegen seiner Mitwirkung in der sandinistischen Regierung geriet Cardenal mit der katholischen Kirche in Konflikt. 1985 verbot ihm der damalige Papst Johannes Paul II. die Ausübung des priesterlichen Dienstes. Erst vor einem Jahr hob Papst Franziskus dieses Verbot wieder auf.
Der Dichter Cardenal hatte Nicaraguas Präsident Ortega immer wieder wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen kritisiert und ihm "Staatsterrorismus" vorgeworfen.
Bruch mit Präsident Ortega
Mit Nicaraguas Präsident Daniel Ortega und dessen Sandinistischer Befreiungsfront (FSLN) hatte Cardenal schon in den neunziger Jahren gebrochen. Cardenal warf Ortega einen autoritären Führungsstil und Korruption vor. Er verglich ihn später mit Adolf Hitler und sprach von "Staatsterrorismus".
Kritik an Regierung
Noch im August 2018 verurteilte Cardenal ein hartes Vorgehen der Regierung gegen Proteste junger Leute. "Wir erleben eine humanitäre Katastrophe", sagte Cardenal in einem Interview. Was in Nicaragua geschehe, sei eine Tragödie, die in diesem Ausmaß nicht zu erwarten gewesen sei. Die Gewalt gehe von der Regierung unter Ortega aus. "Sie steuert die bewaffneten, polizeiähnlichen Truppen, die Scharfschützen in ihren Reihen haben", betonte Cardenal. Obwohl der Staat massive Gewalt anwende, sei es der Regierung nicht gelungen, den gesellschaftlichen Protest zu ersticken.
Die Schriftstellerin Gioconda Belli informierte, dass Cardenal am Samstag in seiner Heimat auf den Archipel-Inseln Solentiname beerdigt wird.