Die neuseeländische Nationalflagge auf Halbmast auf einem Parlamentsgebäude in Wellington.
FAQ

Tödlicher Angriff in Christchurch Was über den Anschlag bekannt ist

Stand: 17.03.2019 16:16 Uhr

Der Anschlag in Christchurch hat Neuseeland erschüttert und weltweit Entsetzen ausgelöst. Die Behörden ermitteln auf Hochtouren. Ein Überblick über das, was bisher bekannt ist.

Was ist über den Ablauf der Tat bekannt?

Der Angriff begann am Freitag, 15. März, gegen 13.45 Uhr Ortszeit (1.45 Uhr MEZ) in der Masjid-al-Noor-Moschee, die in der Innenstadt von Christchurch liegt. Zur Zeit des Freitagsgebets drang ein bewaffneter Mann in die Moschee ein und schoss mit einer Schnellfeuerwaffe um sich. In dem Gebäude sollen sich nach Augenzeugenberichten etwa 300 Gläubige aufgehalten haben - mindestens 41 Menschen starben.

Fünf Kilometer entfernt wurden bei einem weiteren Angriff auf eine kleine Vorortsmoschee mindestens sieben weitere Menschen getötet, davon drei vor dem Gebäude. Ein weiteres Opfer starb nach Behördenangaben später im Krankenhaus. Erst in der Nacht zu Sonntag (Ortszeit) fanden die Ermittler in einem der Gotteshäuser ein weiteres Todesopfer.

Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern sprach von einem "Terroranschlag", der offenbar gut vorbereitet wurde.

Der mutmaßliche Täter filmte den Angriff mit einer Helmkamera und zeigte die Tat etwa 17 Minuten live auf Facebook. Die Ermittler forderten die Öffentlichkeit dazu auf, die Aufnahmen nicht im Internet zu verbreiten. Facebook teilte mit, das Ursprungsvideo sowohl auf Facebook als auch auf Instagram gesperrt zu haben. In den 24 Stunden danach wurden den Angaben zufolge 1,5 Millionen Videos der Tat gelöscht oder beim Hochladen blockiert.

In dem Video ist auch ein serbisch-nationalistisches Kampflied zu hören. Das Lied "Karadzic, führe deine Serben" kursiert im Internet seit einigen Jahren im Zusammenhang mit einem anti-muslimischen Meme. Als Memes werden Bilder und Videos bezeichnet, die im Internet vielfach verbreitet werden.

Wie viele Opfer gibt es?

Insgesamt wurden 50 Menschen getötet. Nach Angaben von Premierministerin Ardern sind auch mehrere Kinder unter den Toten. 50 Menschen wurden verletzt. Vermutet wird, dass es sich bei allen Todesopfern um Muslime handelt. Darunter sind auch Flüchtlinge, die erst vor kurzem aus Ländern wie Syrien nach Neuseeland gekommen waren.

In der Masjid-al-Noor-Moschee waren zum Zeitpunkt des Anschlags Muslime aus aller Welt versammelt. Auch Mitglieder des Kricket-Teams aus Bangladesch waren vor Ort und konnten sich retten - ihr Mannschaftsbus kam gerade bei der Moschee an, als die Schüsse fielen.

Wie haben Polizei und Behörden reagiert?

Der mutmaßliche Haupttäter wurde laut Polizei 36 Minuten nach dem ersten Notruf in seinem Auto festgenommen. "Er hatte absolut die Absicht, seine Attacke fortzuführen", sagte Premierministerin Jacinda Ardern. In seinem Auto seien zwei weitere Feuerwaffen sichergestellt worden. In seinem Gebrauch seien angeblich fünf Waffen gewesen, darunter zwei halbautomatische Waffen und zwei umgebaute Gewehre.

Zwei weitere Verdächtige, die ebenfalls im Besitz von Schusswaffen waren, wurden zunächst ebenfalls festgenommen. Am Sonntag (Ortszeit) erklärte die Polizei aber, sie hätten keine direkte Verbindung zum mutmaßlichen Attentäter. Sie seien an einer Polizeisperre festgenommen und hätten Schusswaffen bei sich gehabt. Eine vierte Person war schon zuvor wieder freigekommen.

Was ist über den Haupttäter bekannt?

Australiens Premierminister Scott Morrison bestätigte, dass es sich beim mutmaßlichen Haupttäter um einen australischen Staatsbürger handle. Er beschrieb den Mann als "extremistischen, rechtsgerichteten, gewalttätigen Terroristen". Laut Medienberichten handelt es sich um einen 28-jährigen gebürtigen Australier aus einer einkommensschwachen Arbeiterfamilie.

Nach eigenen Angaben war er mehrere Jahre in Frankreich, Spanien und Portugal unterwegs. Australischen Medienberichten zufolge arbeitete er, bevor er nach Neuseeland kam, als Fitnesstrainer im australischen Ort Grafton nördlich von Sydney. Er sitzt nun unter dem Vorwurf des Mordes in Untersuchungshaft. Ihm droht eine lebenslange Gefängnisstrafe. Die Polizei geht inzwischen davon aus, dass er die Tat alleine beging.

Der mutmaßliche Attentäter von Christchurch vor Gericht

Der mutmaßliche Attentäter von Christchurch vor Gericht

Welches Motiv steckt hinter dem Anschlag?

Ein im Internet - mutmaßlich vom Haupttäter - veröffentlichtes Manifest legt nahe, dass der Angriff fremdenfeindlich motiviert war und gezielt Muslimen galt. Die Polizei äußerte sich dazu bisher nicht eindeutig. "Wir sind in dieser Phase nicht in der Lage, Details dazu bekannt zu geben, was zu den Angriffen geführt hat", teilte sie mit.

Bei der ersten Gerichtsvorführung machte der Hauptverdächtige seine extremistische Gesinnung mit einer Geste deutlich, die bei weißen Nationalisten in aller Welt gebräuchlich ist. Dabei werden die Spitzen von Daumen und Zeigefinger aufeinander gelegt, während die übrigen Finger der Hand nach unten zeigen.

Auf den Waffen des Haupttäters standen Namen von Schlachten in Europa gegen die Araber oder die Osmanen, darunter mehrere auf dem Balkan. Der bulgarische Geheimdienst prüft Verbindungen des Mannes auf den Balkan.

Verbindungen nach Europa?
Der bulgarische Geheimdienst prüft mögliche Verbindungen des Attentäters von Christchurch nach Europa. Das angebliche Video der Bluttat zeigt auf Waffen des Täters Namen von Schlachten in Europa gegen die Araber oder die Osmanen, darunter mehrere auf dem Balkan.

Zudem habe der Attentäter von Christchurch im November 2018 historische Orte in Bulgarien besucht, sagte der bulgarische Generalstaatsanwalt Sotir Zazarow. Der Attentäter sei im Herbst 2018 von Dubai nach Bulgarien geflogen und habe auch Rumänien und Ungarn bereist. Bereits im Dezember 2016 sei er nach Serbien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina und Kroatien gereist. Die bulgarischen Geheimdienste arbeiteten in dem Fall mit den Diensten der betreffenden Staaten zusammen, sagte Zazarow.

Was ist über das Manifest bekannt?

Im Internet kursiert eine Art Manifest - ein 74-seitiges Schreiben, das kurz vor dem Angriff veröffentlicht wurde und möglicherweise von dem Verdächtigen stammt. Der Text ist ein Konvolut von rassistischen Aussagen, Forderungen und Zeichen. Unter anderem zeigt es auf dem Deckblatt die sogenannte "Schwarze Sonne", ein esoterisches Nazi-Symbol. In einem angeblichen Interview gibt der Verfasser Auskunft über sich und die Beweggründe für die Tat.

Das Dokument ist überschrieben mit "The Great Replacement" ("Der große Austausch"). Der Titel geht auf eine aus Frankreich stammende rechtsextreme Verschwörungstheorie zurück, wonach die Bevölkerung in Europa durch Zuwanderer ersetzt werden soll, deren Geburtenrate deutlich höher sei. Das Schreiben nimmt auch auf den norwegischen rechtsextremen Massenmörder Anders Behring Breivik Bezug. Außerdem nennt der Verfasser die Niederlage der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl 2017 sowie den Tod der elfjährigen Ebba Akerlund bei einem islamistischen Lastwagenanschlag in der Stockholmer Fußgängerzone als Gründe für seinen Anschlag.

Verbreitet wurde der Text über soziale Medien - auch über den Account des mutmaßlichen Haupttäters - und per E-Mail an mehr als 30 Personen, darunter auch Neuseelands Premierministerin Ardern. Sie habe die Hassschrift neun Minuten, bevor die Tat stattfand, erhalten und sofort an die Sicherheitsbehörden weitergeleitet. Ortsangaben oder Details zur bevorstehenden Tat hätten darin nicht gestanden. Medien und andere Politiker zählten ebenfalls zu den Adressaten.

Die Polizei äußerte sich bisher nicht zur Echtheit des Dokuments. Doch es gibt durchaus Anhaltspunkte für dessen Authentizität. Sollte sich das bewahrheiten, könnte das Dokument Hinweise auf den Hintergrund der Bluttat geben.

Wie reagiert die Politik?

Als Konsequenz aus dem Anschlag verschärft Neuseeland das Waffenrecht. Das kündigte Premierministerin Ardern an. Der Schütze hatte demnach seit November 2017 einen Waffenschein und die bei ihm gefundenen Schusswaffen teils legal erwerben können.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 15. März 2019 um 17:00 Uhr.