Britische Reformforderungen in der EU Geschenk für Cameron oder nur ein Schaukampf?
Der britische Premierminister Cameron hat zwar noch keine Zusage, dass seine Reformwünsche in der EU erfüllt werden - doch die EU-Partner signalisierten Kompromissbereitschaft. EU-Skeptiker auf der Insel setzen Cameron aber weiter unter Druck.
Kein großes, aber doch ein kleines Geschenk legen die europäischen Staats- und Regierungschefs ihrem britischen Kollegen unter den imposanten Weihnachtsbaum, der in der Downing Street steht.
Wir wollen Großbritannien in der EU halten - und wir suchen mit gutem Willen eine Lösung: Diese Botschaft hat David Cameron in Brüssel vernommen. Und so verbreitet der konservative Premierminister nach dem Treffen Optimismus: "Wir verhandeln, wir sind noch nicht am Ziel, aber wir haben hier wichtige Schritte auf diesem Weg unternommen - und müssen den Deal nun noch unter Dach und Fach bringen."
Kaum Bewegung in der Sache
Das wird indes noch knifflig. Denn in der Sache hat sich bislang keine der beiden Seiten bewegt. Cameron erneuerte seine umstrittenste Forderung: Er will Zuwanderer aus der EU, die in Großbritannien arbeiten, vier Jahre lang von bestimmten Sozialleistungen ausschließen. Das sei so nicht vereinbar mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit, schallte es Cameron auf dem Gipfel entgegen.
Der Chef der britischen Anti-EU-Partei UKIP, Nigel Farage, wetterte: Dies sei Camerons einzige substanzielle Forderung - "hier hat er absolut nichts erreicht, er kommt mit leeren Händen nach Hause". Farage prophezeit, in wenigen Wochen gebe es den nächsten Gipfel: "Der Deal wird dann sein, dass auch die Briten weniger Sozialleistungen kriegen. Und das wird uns Cameron als Sieg verkaufen!"
Das britische Ziel: weniger Zuwanderung
Wer als EU-Bürger in einem anderen EU-Land arbeitet, darf dort - darauf pocht auch die Bundeskanzlerin - nicht diskriminiert werden. Wie Cameron sein Ziel der Reduzierung der Zuwanderung auf die Insel erreichen will, ist mithin offen.
Der Premier werde allenfalls kosmetische Korrekturen hinkriegen, schimpft der Europaabgeordnete Daniel Hannan von den Tories. Er ist zwar in derselben Partei wie Cameron, will aber raus aus der EU: Hannan spricht von einem "Schaukampf". "Das hat ein EU-Vertreter doch selbst gesagt: Das war eine orchestrierte Auseinandersetzung, damit es so aussieht, als würde ernsthaft verhandelt. Aber darauf fällt doch niemand rein!"
Cameron hofft auf feste Zusagen
Um den Briten entgegenzukommen, könnte es nötig sein, den EU-Vertrag zu ändern - das schließt Angela Merkel nicht aus. Aber auch Cameron weiß, dass das nicht vor seinem EU-Referendum gelingen wird. Deshalb drängt er darauf, alle Zugeständnisse in Stein zu meißeln.
Weniger umstritten sind seine drei anderen Forderungen: mehr Wettbewerbsfähigkeit, mehr Vetorechte für nationale Parlamente, mehr Schutz für das Nicht-Euro-Land Großbritannien.
Einigung, um Dominoeffekt zu verhindern?
Jackie Davies vom Thinktank "European Policy Centre" ist aber zuversichtlich, dass sich die EU-Partner am Ende zusammenraufen: Denn die EU habe mit der Euro-Krise, dann der Flüchtlingskrise und dem Terror ein schreckliches Jahr hinter sich: "Die Zustimmung in der europäischen Bevölkerung sinkt. Und allen ist klar: Wenn jetzt die Briten die EU verlassen, dann wäre das ein Desaster und könnte einen Dominoeffekt auslösen."
Die Juristen in London und Brüssel werden sich in den kommenden Wochen den Kopf darüber zerbrechen, mit welchen Formulierungen alle Beteiligten leben können. Angestrebt ist, beim nächsten EU-Gipfel im Februar eine Einigung zu erzielen, um das Thema so schnell wie möglich vom Tisch zu haben. Dann könnten die Briten womöglich schon im Juni entscheiden, ob sie für oder gegen den "Brexit" sind, den Ausstieg ihres Landes aus der EU.