Britischer Premier wirbt im Fernsehen für EU Camerons Abschreckungsstrategie
Gebracht hat es wohl wenig, geschadet aber auch nicht: Camerons leidenschaftlicher Fernseh-Appell für einen Verbleib in der EU. Der britische Premier punktete mit wirtschaftlichen Argumenten, schwächelte bei Zuwanderung. Blöd, dass im Konkurrenzprogramm Fußball lief.
Victoria Crawford ist alleinerziehende Mutter, sie und ihre zwei Kinder sind noch nicht überzeugt davon, dass es besser für sie ist, in der Europäischen Union zu bleiben. Sie fragt David Cameron: "Meine Kinder und ich müssen aus London wegziehen, weil wir hier unsere Wohnung nicht mehr zahlen können. Und meine Kinder können keine Einstiegsjobs finden, weil Zuwanderer mit mehr Erfahrung sie ihnen weg nehmen. Was würden Sie meinen Kindern Jessica und Ewan sagen, damit sie für den Verbleib in der EU stimmen?"
Der britische Premierminister meint, auch für Jessica und Ewan lohne es sich, in der Europäischen Union zu bleiben: "Ich würde Jessica und Ewan sagen, dass wir dann mehr Chancen für den Hausbau und mehr Jobs bekommen, wenn wir eine fundamental stärkere Wirtschaft haben. Wenn wir im Europäischen Binnenmarkt bleiben, dann wird unsere Wirtschaft weiter wachsen, dann werden wir weiter neue Jobs schaffen. Aber wenn wir gehen, dann riskieren wir all das."
It's the economy, stupid!
Es ist das ökonomische Argument, dass Cameron in dieser ersten Fernsehdiskussion mit Studiopublikum im Sender Sky News bringt. Egal, was er gefragt wird - er kommt immer wieder auf dieses zentrale Argument zurück: Die EU ist gut für die britische Wirtschaft und für britische Jobs. "Wir sind eine Handelsnation, wir müssen die Möglichkeit haben, unsere Waren und Dienstleistungen frei in diesem europäischen Markt mit 500 Millionen Konsumenten zu verkaufen. Wenn wir die EU verlassen, dann bekommen wir schlechtere Bedingungen, und das bedeutet weniger Arbeitsplätze."
Schwach bei Zuwanderung
Während Cameron mit den wirtschaftlichen Argumenten punktet, schwächelt er beim Thema Zuwanderung. Im Wahlprogramm hatte seine Konservative Partei den Briten versprochen, die Zuwanderung auf wenige Zehntausend pro Jahr zu senken. Stattdessen kommen weiter Hunderttausende Menschen. Die Kontrolle über die Zuwanderung zurückzugewinnen, aus der Freizügigkeit für Arbeitnehmer in Europa auszusteigen - das ist das zentrale Argument derer, die Großbritannien aus der EU heraus führen wollen.
Cameron kann immerhin ihr Argument entkräften, dass das Land bald von Millionen Türken überrollt werde. "Die Türkei wird auch in Jahrzehnten noch nicht der EU beitreten." Die Türken hätten 1987 den Aufnahmeantrag gestellt, sie müssten 35 Kapitel erfüllen, hätten aber bisher erst eines geschafft. "Wenn das so weiter geht, könnten sie im Jahr 3000 Mitglied werden. Und auch dann kann noch jedes einzelne Mitgliedsland ein Veto dagegen einlegen."
Viel gebracht hat's nicht
Diese erste Fernsehdiskussion war keine große Hürde für den EU-Freund Cameron. Viel gebracht hat sie ihm aber auch nicht: Sky News ist kein Massensender, und im Konkurrenzprogramm schauten deutlich mehr Briten das Fußballspiel England gegen Portugal, das letzte Vorbereitungsspiel für die EM.
Bis zum 23. Juni wird sich Cameron noch einigen weiteren Fernsehdiskussionen stellen, ein Duell lehnte er aber ab. Mit wem sollte er sich denn auch duellieren? Der Oppositionsführer von der Labour Party, Jeremy Corbyn, ist ja auch für den Verbleib in der EU, da bliebe nur der Rechtspopulist Nigel Farage, den Cameron für verrückt erklärte und dessen Partei nur mit einem einzigen Abgeordneten im Unterhaus vertreten ist. Oder ein Duell mit einem der zahlreichen EU-Gegner aus Camerons eigener Konservativer Partei. Zwei Konservative schlagen vor dem Referendum aufeinander ein - für den Zuschauer mag das vielleicht interessant sein, nicht aber für den Parteivorsitzenden Cameron.