BRICS-Gipfel in Südafrika Der Traum von der multipolaren Welt
Eine neue Weltordnung als Gegengewicht zum Westen, der sie stets zu bevormunden suche - das wollen die BRICS-Staaten schaffen. Auf ihrem Gipfeltreffen wollen sie zu einem der globalen Machtpole werden. Doch vieles ist noch unkonkret.
"B" für Brasilien, "R" für Russland, "I" für Indien, "C" für China und "S" für Südafrika, das ist 'BRICS'. Ein bisher loser Staatenverbund, vor mehr als 20 Jahren als 'BRIC' gegründet, Südafrika kam 2011 dazu und der Name wurde um das 'S' erweitert. Die BRICS-Staaten eint, dass sie aufstrebende Volkswirtschaften sind - oder sein wollen. China ist die größte der BRICS-Volkswirtschaften, Südafrika die kleinste. Jahrelang fand BRICS weltweit nur wenig Beachtung, jetzt aber wollen die fünf Länder Schlagzeilen machen.
Von heute an findet in Johannesburg ihr fünfzehntes Gipfeltreffen statt, Südafrika ist dieses Jahr turnusgemäß Vorsitzender. Bei den bisherigen Treffen ging es meist nur um vertiefte wirtschaftliche Zusammenarbeit oder auch mal um Klimaschutz. Jetzt aber wird es um die ganz große Politik gehen. Eine neue Weltordnung soll entstehen, das Wort 'multipolar' ist in aller Munde - und die Losung, dass die Dominanz des Westens, vor allem die Dominanz der USA, beendet werden soll.
Die Dominanz des Westens infrage stellen
Der Analyst Priyal Singh vom südafrikanischen Thinktank Institute for Strategic Studies (ISS) sagt, es gebe eigentlich nur diesen einen gemeinsamen Nenner: "Das einzige Bindeglied zwischen all diesen Ländern ist der gemeinsame Wunsch, die Dominanz des Westens in Frage zu stellen. Vor allem die Dominanz der USA."
Das finden offenbar viele Südafrikaner nachvollziehbar. So kam es zum Beispiel in Südafrika nicht gut an, als US-amerikanische Senatoren und Kongressabgeordnete unlängst damit drohten, Südafrika Handelsvergünstigungen zu entziehen, weil das Land sich zum Krieg in der Ukraine nicht eindeutig auf die Seite des Westens stelle. "Die Rolle von BRICS ist, die Hegemonie des Westens in Frage zu stellen, den Westen herauszufordern. Wir brauchen eine multipolare Welt", sagt Singh. Auch wenn zunächst einmal nur Russland und China davon profitieren würden.
"Globaler Süden" beklagt Bevormundung
Länder wie die fünf Mitgliedsstaaten von BRICS werden auch der "Globale Süden" genannt. Viele von ihnen beklagen Bevormundung durch den Westen. Der Krieg in der Ukraine hat diese Perspektive verstärkt. Als der US-amerikanische Außenminister Antony Blinken Südafrika besuchte, brach es aus der südafrikanischen Außenministerin Naledi Pandor heraus: "I'm sick and tired of being bullied by Western politicians!" Kurz gesagt, sie habe die Nase voll davon, von westlichen Politikern bevormundet zu werden. Namen nannte sie keine, deutete aber an, man habe auch ihr zu verstehen gegeben, es könne politische und wirtschaftliche Konsequenzen haben, wenn Südafrika nicht Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine eindeutig verurteile.
Südafrika bemüht sich aber um eine betont neutrale Haltung, spricht davon, beide Seiten müssten an den Verhandlungstisch kommen - und außerdem sei das ein Stellvertreterkrieg der USA gegen Russland. Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa reiste nach Kiew und Moskau, wurde in beiden Städten freundlich empfangen, kam aber ansonsten mit leeren Händen zurück. Erreicht hat er immerhin eines: Wladimir Putin wird nicht zum Gipfeltreffen nach Johannesburg kommen.
Putin per Videoschalte dabei
Monatelang beherrschte das Thema die öffentliche Diskussion in Südafrika. Wird Putin nach Südafrika reisen oder wird er nur virtuell teilnehmen? Wird der Gipfel vielleicht nach China verlegt? Gegen Putin liegt wegen der Verschleppung ukrainischer Kinder ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vor, er hätte beim Betreten südafrikanischen Bodens verhaftet werden müssen. Nun aber wird er nur per Videoschalte teilnehmen, vor Ort vertreten von Außenminister Sergej Lawrow.
Erweiterung gewünscht - nur wie?
Das Thema BRICS-Erweiterung wird aber auch ohne physische Präsenz Putins den Gipfel beherrschen - einfach dürfte ein solcher Schritt aber nicht werden. Bisher ist BRICS ein eher loser Verbund, es gibt kein Generalsekretariat, keinen Sitz, keine eindeutig definierten Regeln. Selbst die fünf bisherigen Mitglieder sind sich nicht immer grün. China und Indien zum Beispiel haben Grenzstreitigkeiten. Was, wenn jetzt neue Mitglieder kommen, die für Streit sorgen könnten? Der Iran hat Interesse an einer Mitgliedschaft bekundet. Das wäre noch ein Land mehr, das - siehe China - nicht für die Einhaltung der Menschenrechte steht. Brasilien aber sind die Menschenrechte wichtig, Südafrika auch.
Oder aber demokratische Strukturen: Indiens Außenminister Subrahmanyam Jaishankar hat erklärt, es müssten erst ganz klare Kriterien definiert werden, bis neue Mitglieder aufgenommen werden könnten. Russland wiederum drängt auf eine gemeinsame Währung. Wie soll die aussehen, fragen sich Beobachter. Ein Bündel von einigen wenigen Währungen, mit denen dann Handel getrieben würde, um die Vorherrschaft des US-Dollar zu brechen? Oder eine Krypto-Währung? Oder Gold?
Experte: "Zunächst nur ein Fahrplan"
Das alles ist Zukunftsmusik. Priyal Singh vom ISS sagt dazu: "Ich denke, es wird zunächst nur ein Fahrplan erstellt werden, wie es weitergehen soll, der dann erst nach dem Gipfel veröffentlicht wird." Aber, meint der Experte: "Eine Erweiterung würde auf jeden Fall die Möglichkeiten der teilnehmenden Länder erhöhen, gegen die von ihnen als dominant empfundenen USA vorzugehen."
22 Länder haben Interesse an einer BRICS-Mitgliedschaft geäußert, von Algerien über Argentinien und Bangladesch, Kuba und Thailand. Allesamt Länder, die sich bisher im politischen Abseits sahen. Es wäre eine Sensation, wenn in Südafrika der Grundstein dafür gelegt würde, einen neuen politischen Block entstehen zu lassen. Irans Präsident Ebrahim Raisi hat jedenfalls schon einmal angekündigt, er wolle diese Woche auch nach Südafrika kommen.