Nach den Unruhen in Birma Flucht in eine ungewisse Zukunft
Schon vor den Demonstrationen in Birma haben viele Einwohner unter der Militärjunta für sich keine Perspektive gesehen und das Land verlassen. Seitdem die Aufstände der Mönche blutig niedergeschlagen wurden, hat die Zahl der Flüchtlinge noch einmal deutlich zugenommen. Sie erwartet oft ein ungewisses Schicksal - mit neuen Gefahren.
Von Ariane Reimers, ARD-Studio Singapur
Kleiner Grenzverkehr zwischen Thailand und Birma. Im Schatten der "Brücke der Freundschaft" zwischen Mae Sot und Myawaddy überqueren im Oktober täglich Hunderte den Grenzfluss - ohne irgendwelche Dokumente zu zeigen. Es ist nicht schwierig die Grenze zu überwinden, wenn man es einmal bis Myawaddy geschafft hat.
Für einen Tag oder für das Leben
Birma bietet keine Perspektive. Die Menschen haben Hunger, brauchen Arbeit und Geld. Deswegen kommen sie nach Thailand - manche nur für einen Tag, andere für ihr Leben. Aber es sind nicht nur Wirtschaftsflüchtlinge, die sich nach Thailand retten. Auch Birmas Regimegegner suchen in Mae Sot Unterschlupf und Schutz vor dem Militärregime. Hier leben längst mehr Birmanen als Thai: Wanderarbeiter, Vertriebene, politische Flüchtlinge. Und auch die meisten Exil-Organisationen haben ein Büro hier.
Die anderen Flüchtlinge müssen misstrauisch sein
In einem ist gerade ein Flüchtling aus Rangun angekommen. Die Militärs suchen nach ihm, erzählt er. Er war auf den Demonstrationen, einen seiner Kollegen haben sie schon festgenommen. Deswegen ist er geflohen, ein nicht ganz unkompliziertes Unterfangen, wie der Exil-Birmane Moe Swe zählt: "Sie brauchen eine Legende, die sie den Sicherheitskräften erzählen - oder einen gefälschten Personalausweis, oder sie müssen viele kleine Reisen machen, bis sie am Ende in Myawaddy ankommen. Es gibt viele Checkpoints, die Flucht ist wirklich nicht einfach." Bevor er allerdings Hilfe bekommt, fragen ihn die anderen Exil-Birmanen erst einmal aus. Stimmt seine Geschichte? Ist er glaubwürdig? Er könnte ja auch ein birmanischer Spitzel sein. Das passiert nicht selten, sagen sie.
Die Mönche fliehen aus Rangun
In einen anderen Unterschlupf hat sich ein Mönch geflüchtet - einer derjenigen, die noch vor drei Wochen die Proteste in Rangun angeführt haben. Er konnte sich retten, aber er glaubt, dass viele tausend Mönche verhaftet wurden: "Als ich aus Rangun geflohen bin, waren wir auf uns alleine gestellt und verzweifelt. So viele Razzien in unseren Klöstern und niemand, den wir um Hilfe bitten konnten. Die meisten Mönche, die es geschafft haben, haben Rangun verlassen - in ihre Heimatdörfer oder sonst wohin - Hauptsache weg aus Rangun."
Auch im Exil weiter auf der Flucht
Aber auch Thailand ist nicht sicher. Auch hier haben die politischen Flüchtlinge Angst vor dem birmanischen Geheimdienst, der seine Häscher schon häufiger auf thailändischen Boden ausgesendet hat. Und auch die thailändische Polizei und das Militär nehmen regelmäßig Birmanen ohne gültige Aufenthaltserlaubnis fest, verlangen Geldstrafen oder schieben sie sogar nach Birma ab. Deswegen verlassen viele der Flüchtlinge ihre Häuser nicht oder nur so selten wie möglich.
Augenzeugen berichten Schreckliches
Iin Mae Sot, im Büro des Komittees für politische Gefangene in Birma gibt es Bilder von den Demonstrationen. Sie sollen Mut machen, aber zudem an die vielen Verhafteten erinnern, auch an die, die schon vor den großen Protesten eingesperrt wurden. Hlaing Moe Than sagt: "Die Regierung hat gedacht, wenn sie alle diese Leute festnehmen, wird es keine Protest mehr geben, aber damit lagen sie ganz falsch." Auch lange Listen hängen an der Wand - wann wurde welches Kloster durchsucht, wann ist wer wo verhaftet worden. Genaue Informationen sind nur schwer zu bekommen. Die meisten stammen von Augenzeugen. Und die berichten Schreckliches - viele der Gefangenen würden gefoltert, manche sogar ermordet.
Vorwürfe an die Weltgemeinschaft
In einem Büro der birmanischen Opposition versteckt sich Kar Kar, ein Birmane indischer Abstammung. Er hat für den Schutz der Demonstrationen gesorgt, war meist in den ersten Reihen und hat dort einige seiner Freunde sterben sehen: "Mehr als 100 sind getötet worden. Aber international passiert einfach gar nichts. Ich bin so traurig. Auch mit der Uno gibt es keine Veränderungen. Gambari hat versagt. " Der Frust über die Uno und den Sonderbeauftragten Gambari ist groß. Er habe sie allein gelassen. Jetzt hoffen sie auf neue Proteste in Birma - lange könne es nicht mehr dauern, bis es wieder losgeht.