Historisches Referendum Australier lehnen mehr Rechte für Indigene ab
Australiens Indigene sollten mit einer Verfassungsänderung mehr politischen Einfluss bekommen. Doch eine Mehrheit stimmte in einem Referendum gegen das Vorhaben. Für Premier Albanese ist es eine schwere Niederlage.
Australiens indigene Völker werden auch in Zukunft kein größeres politisches Mitspracherecht bekommen. Dies ist das Ergebnis einer historischen Volksbefragung. Eine deutliche Mehrheit der 18 Millionen Wahlberechtigten - unter ihnen 530.000 Indigene - sprach sich beim sogenannten Voice-Referendum gegen das Vorhaben aus.
Auch alle sechs Bundesstaaten stimmten vorläufigen Ergebnissen zufolge dagegen. Für eine Verfassungsänderung ist in Australien eine doppelte Mehrheit nötig: Nicht nur müssen mehr als 50 Prozent aller Wähler "Ja" sagen, auch die Mehrheit der Bundesstaaten muss dafür sein.
"Voice to Parliament" sollte Abgeordnete beraten
Konkret ging es darum, ob die "First Nations" künftig ein in der Verfassung verankertes Mitspracherecht im Parlament bekommen sollten. Im Erfolgsfall hätte ein von ihnen gewähltes Gremium - die "Voice to Parliament" - das Parlament in Fragen beraten, die die Indigenen direkt betreffen. Es wäre dann den Abgeordneten überlassen geblieben, die Ratschläge zu befolgen oder nicht.
Die Befürworter der Verfassungsänderung hofften, dass eine stärkere Einbeziehung der Meinungen von Indigenen zu einer Verbesserung des Lebens der indigenen Bevölkerung beitragen würde. Vor allem die konservative Opposition hatte jedoch in den vergangenen Monaten massiv Stimmung gegen die Pläne gemacht. Sie warnten vor besonderen Privilegien für die indigene Bevölkerung. Nachdem die Mehrheit der Australier zunächst zu einem "Ja" tendiert hatte, drehte sich die Meinung im Land. Auch einige Indigene waren dagegen. Ihnen ging das Vorhaben nicht weit genug.
Schwere Niederlage für Premier Albanese
Für Premier Anthony Albanese, der mit dem Referendum - dem ersten in Australien seit 24 Jahren - ein Wahlversprechen eingelöst hatte, ist das "Nein" eine schwere Schlappe. Albanese hatte seit Monaten für seine Sache geworben. Erst vor wenigen Tagen nahm er am Uluru (früher Ayers Rock genannt) an einer Zeremonie mit Vertretern der indigenen Völker teil.
Noch am Morgen der Abstimmung hatte er einen emotionalen Appell an die Wähler gerichtet und sie aufgefordert, einen Fehler der Geschichte zu korrigieren. "Ausgerechnet in dieser Woche, in der es so viel Hass in der Welt gibt, ist dies eine Gelegenheit für die Australier, Liebenswürdigkeit zu zeigen", sagte er. "Dieses Referendum ist die Chance, Geschichte zu schreiben."
Premierminister Albanese hatte sich mit großen Einsatz für einen Erfolg des Referendums eingesetzt - und scheiterte.
Bei der Abstimmung gehe es um Respekt für die Ureinwohner. Es gehe darum, "wie wir uns als Nation sehen, aber es geht auch darum, wie die Welt uns sieht", sagte Albanese. "Die Chance, die würdevolle Einladung der ersten Australier anzunehmen, sie in unserem Gründungsdokument anzuerkennen." Die Indigenen wollten endlich angehört werden und eine Stimme haben, wenn es um ihre eigenen Belange gehe.
Kurz nach Bekanntwerden des Ergebnisses wurden erste Stimmen laut, die den Rücktritt des Premiers forderten. Der 60-Jährige sagte hingegen in einer emotionalen Ansprache, er respektiere das Ergebnis, werde aber weiter für eine Versöhnung mit den Indigenen und ein Ende der Kluft in der Gesellschaft arbeiten. "Ich habe alles getan, was ich tun konnte." Die Ministerin für indigene Australier, Linda Burney, sprach unter Tränen von einem "traurigen Tag für Australien".
Lange Zeit der Unterdrückung
Erklärtes Ziel der Regierung von Albanese ist es, die Lebensrealität der benachteiligten und diskriminierten Bevölkerungsgruppen zu verbessern. Sie machen heute etwa vier Prozent der Bevölkerung aus. Vielerorts leben sie am Rande der Gesellschaft. Die indigenen Australier gelten als die älteste noch bestehende Kultur weltweit und bevölkern den Kontinent seit mehr als 60.000 Jahren.
Mit der Kolonisierung durch die Briten im späten 18. Jahrhundert begann für sie aber eine Zeit der schweren Unterdrückung. In der 1901 verabschiedeten Verfassung werden sie nicht einmal erwähnt. Erst 1967 wurden ihnen Bürgerrechte eingeräumt. Bis in die 1970er-Jahre wurden zudem indigene Kinder ihren Familien entrissen, um in christlichen Einrichtungen oder bei weißen Familien "umerzogen" zu werden. Erst 2008 entschuldigte sich die Regierung unter dem damaligen Premier Kevin Rudd für das Leid, das den Opfern der "Stolen Generation" zugefügt wurde.