Krieg in Nahost Tod von Hisbollah-Chef Nasrallah bestätigt
Der Chef der proiranischen Hisbollah-Miliz Nasrallah ist tot. Entsprechende Meldungen Israels hat die Hisbollah inzwischen bestätigt. Nun stellt sich die Frage: Wie wird der Iran auf den Tod Nasrallahs reagieren?
Die libanesische Hisbollah-Miliz hat den Tod ihres Generalsekretärs Hassan Nasrallah bestätigt. Nasrallah sei auf die "Seite seines Herrn" gewechselt, teilte die Miliz auf Telegram mit. Er habe sich den "großen und unsterblichen Märtyrern angeschlossen", hieß es weiter. Auch im libanesischen Fernsehen wurden entsprechende Erklärungen verlesen. Die Hisbollah kündigte an, den Kampf gegen Israel, die Unterstützung der Palästinenser sowie die "Verteidigung des Libanons" fortzuführen.
Die israelische Armee hatte zuvor erklärt, den Hisbollah-Chef am Freitag bei einem Angriff in einem Vorort Beiruts getötet zu haben. "Hassan Nasrallah wird nicht länger in der Lage sein, die Welt zu terrorisieren", teilte das Militär mit. Die Botschaft der Eliminierung Nasrallahs sei einfach, erklärte der Generalstabschef der israelischen Armee, Herzi Halevi. Israel wisse jeden zu erreichen, der seine Bürger bedrohe.
Nasrallah stand rund 30 Jahre lang an der Spitze der Schiitenorganisation, die im Libanon auch einen großen politischen Einfluss hat. Zu einem Nachfolger Nasrallahs äußerte sich die Hisbollah bislang nicht.
Kurz nach der Bestätigung der Hisbollah war in der libanesischen Hauptstadt Beirut zu hören, wie zahlreiche Schüsse in die Luft fielen. Besonders in den von der Hisbollah kontrollierten Vororten Beiruts waren Augenzeugen zufolge zahlreiche Schüsse zu hören. Anhänger der Schiitenmiliz fuhren in Autos und auf Rollern mit Hisbollah-Flaggen durch die Stadt.
Mehr als 140 Ziele im Libanon angegriffen
Israel setzte auch am Samstag seine Luftangriffe auf Ziele in Süd- und Ostlibanon sowie Beirut fort. Die Angriffe richteten sich unter anderem gegen "Terrorziele der Terrororganisation Hisbollah" in der östlichen Region Bekaa und in "mehreren Gebieten im Südlibanon", teilte die Armee mit.
Die Hisbollah schoss unterdessen Dutzende Raketen auf Ziele in Israel. Eine Gruppe israelischer Soldaten wurde demnach mit Artilleriegranaten im Norden Israels angegriffen. Auf den nordisraelischen Ort Sa'ar sei eine Raketensalve abgefeuert worden. Als Reaktion auf die "brutalen israelischen Angriffe" seien außerdem Raketen auf den Ort Rosch Pina gefeuert worden.
Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben seit Freitagabend mehr als 140 Ziele im Libanon angegriffen. Getroffen worden sei auch ein Lager für Anti-Schiffs-Raketen, das sich unter zivilen Wohngebäuden in den südlichen Vororten von Beirut befunden habe. Israelische Kampfjets hätten Waffenlager unter sechs verschiedenen Gebäuden beschossen, um die Infrastruktur und Fähigkeiten der Hisbollah zu schwächen.
Bei dem Angriff wurden laut Militär auch der Hisbollah-Kommandeur Ali Karki und weitere Kommandeure der Miliz getötet. Das libanesische Gesundheitsministerium berichtete von sechs Toten und 91 Verletzten am Freitag. Bei dem Angriff sollen sechs Wohngebäude zerstört worden sein. Möglicherweise ist die Zahl der Toten daher deutlich höher. Nach dem Angriff waren dichte Rauchwolken zu sehen und anschließend große Trümmerberge.
Reaktion des Iran ungewiss
Die Hisbollah wurde durch massive Angriffe Israels in den vergangenen Wochen schwer getroffen. Sie ist mit Blick auf ihre Führung, ihre Kommunikationsmittel und wohl auch ihre Kampfmoral deutlich geschwächt.
Das geistliche Oberhaupt des Iran, Ajatollah Ali Khamenei, rief eine fünftägige Staatstrauer aus. Er spreche sein "Beileid für das Martyrium des großen Nasrallah und seiner als Märtyrer gestorbenen Gefährten" aus, erklärte Khamenei nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Irna. „Das Blut des Märtyrers wird nicht ungerächt bleiben“, sagte er weiter. Nasrallahs Weg im Kampf gegen Israel werde von anderen Kämpfern fortgesetzt werden.
Zuvor hatte Khamenei Israels Angriff auf die Führungsriege der proiranischen Miliz als "kurzsichtig und dumm" bezeichnet. Die "zionistischen Verbrecher" seien aber "viel zu unbedeutend, um der starken Struktur der Hisbollah im Libanon schweren Schaden zufügen zu können". Alle Muslime müssten entsprechend ihrer Möglichkeiten dem libanesischen Volk und der "stolzen Hisbollah" beistehen, erklärte Khamenei weiter.
Zu Irans Widerstandsfront gegen Israel zählt der Iran nichtstaatliche Verbündete wie die Hisbollah im Libanon, die Hamas im Gazastreifen, die Huthi-Miliz im Jemen sowie Milizen im Irak und in Syrien.
In der iranischen Hauptstadt Teheran wurden nach Berichten der Nachrichtenagentur AFP Plakate mit einem Bild Nasrallahs und der Aufschrift "Die Hisbollah lebt" aufgehängt. Die radikalislamische Palästinensermiliz Hamas verurteilte die Tötung Nasrallahs als "feigen Terrorakt". Huthi-Rebellen teilten mit, die Tötung Nasrallahs werde die Hisbollah und andere Gruppen mit iranischer Unterstützung, die gegen "den israelischen Feind" kämpften, nicht abschrecken.
Nasrallah machte Hisbollah mächtiger und gefährlicher
Nasrallah hatte 1992 die Führung der Hisbollah übernommen. Den Höhepunkt seiner Popularität erreichte er nach dem Krieg mit Israel 2006. Seither trat der Schiit zum Schutz vor Attentaten kaum noch in der Öffentlichkeit auf. Er war einer der schwierigsten Gegenspieler Israels und stimmte sich eng mit dem Iran und dessen Revolutionsgarden ab. Er hat die Miliz in eine deutlich mächtigere und gefährlichere Organisation verwandelt, als sie in der Zeit seines Vorgängers war.
Nasrallah, der im Alter von 64 Jahren getötet wurde, erhielt seine religiöse Ausbildung in den zwei wichtigsten Zentren der schiitischen Muslime: in der irakischen Pilgerstadt Nadschaf und im iranischen Qom. 1982 schloss er sich der neu gegründeten "Partei Gottes" an.
Nach dem Tod von Anführer Abbas al-Mussawi, den Israel 1992 tötete, wurde er zum Nachfolger gewählt. Als großen Triumph der Hisbollah empfand er den Abzug der israelischen Truppen aus dem Südlibanon im Jahr 2000 und den ihrer Beschreibung nach "göttlichen Sieg" nach Ende des Kriegs 2006.