Aufstände in Syrien Wer ist Milizenführer al-Dscholani?
Ein Dschihadist als Staatsmann? Der HTS-Milizenführer al-Dscholani probiert sich an einem Imagewechsel. Doch seine Vergangenheit ist geprägt von islamistischen Organisationen - und die USA setzten zehn Millionen Dollar Kopfgeld aus.
Fast jeden Tag gibt es neue Botschaften von Abu Muhammad al-Dscholani. Die von ihm angeführten Aufständischen eilen in Syrien von einem militärischen Erfolg zum nächsten. Al-Dscholani zeigte sich vor der Zitadelle von Aleppo, schickte Botschaften an seine Anhänger - und per CNN-Interview auch an den Rest der Welt.
"Aus militärischer Sicht ist die Phase nach der Einnahme von Hama definitiv nicht mehr dieselbe wie vorher", erklärte al-Dscholani. "Aber im Kampf bin ich nicht gerne zu optimistisch. Ich bleibe gerne vorsichtig und zurückhaltend, damit wir uns nicht in falscher Sicherheit wiegen."
Noch keine Siegerpose
Auffällig ist: Die Siegerpose will al-Dscholani nicht einnehmen - zumindest noch nicht. Immer wieder ruft der bärtige Mann seine Kämpfer auf, Zivilisten zu verschonen. In einer Erklärung nach dem Einzug in die Stadt Hama hieß es: "Ich bitte Allah, den Allmächtigen, dass die Befreiung von Hama eine Befreiung ohne Rache sein wird, einer Befreiung voller Gnade und Freundlichkeit. Gepriesen sei Allah, der Herr der Welten."
An die internationalen Verbündeten des Assad-Regimes richtete sich der 42-Jährige noch mit einer anderen Botschaft: Es sei eine Angelegenheit unter Syrern, sie sollen sich heraushalten.
Gegenüber dem irakischen Premierminister verpackte er dies in diplomatische Worte: "Wir appellieren an die irakischen Politiker, insbesondere an Sie, Herrn Mohammed Shia' As-Sudani, den Einsatz irakischer Milizen in Syrien zu verhindern. Kommen Sie ihrer Verantwortung nach und unterbinden sie deren Eingreifen in Syrien zur Unterstützung des zum Scheitern verurteilten Regimes."
Vater war Assad-Gegner
Geboren wurde Ahmed al-Scharaa, wie al-Dscholani mit bürgerlichem Namen heißt, in Saudi-Arabien. Seine Familie stammte ursprünglich von den Golanhöhen. Sein Vater war ein säkularer Gegner des Assad-Regimes und verbrachte viele Jahre in syrischen Gefängnissen, bevor er ins Exil ging.
Als Dschihadist nahm sein Sohn den Kampfnamen Abu Muhammad al-Dscholani an. Es deutet vieles darauf hin, dass er jetzt diesen Kampfnamen ebenso ablegen möchte wie seinen Ruf als gewaltbereiter Islamist.
Al-Dscholani strebt mit HTS Imagewechsel an
Diesen Imagewechsel beobachtet auch der ägyptische Militärexperte Mohamed Abdel Wahed: "Die Aufständischen haben ihre früheren dschihadistischen Taktiken aufgegeben. Al-Dscholani hat den islamischen Mantel abgelegt und präsentiert sich der Welt durch seine Interviews. Er spricht leiser und versucht, das Vokabular eines Staatsmannes zu verwenden."
Ein Dschihadist als Staatsmann? Aktuell ist al-Dscholani in Syrien der Mann der Stunde. Auch viele säkulare Assad-Gegner feiern derzeit den Vormarsch der Aufständischen als Befreiung. Doch die Skepsis bleibt. Al-Dscholani hatte enge Bindungen an die Terrororganisation Islamischer Staat, war Teil der Nusra-Front, einem syrischen Ableger von al-Kaida. Die USA setzten ein Kopfgeld von zehn Millionen Dollar auf ihn aus.
Bruch mit al-Kaida
Mit Al Kaida hat al-Dscholani vor Jahren öffentlichkeitswirksam gebrochen. Das von ihm angeführte Milizenbündnis Hayat Tahrir al-Scham, kurz HTS, baute in Teilen der Provinz Idlib im Nordwesten Syriens in den letzten Jahren seine Macht aus. Rivalen wurden brutal ausgeschaltet, der HTS in Idlib wurden Folter und die Vertreibung von Minderheiten vorgeworfen.