Vor Präsidentenwahl Ist Sri Lanka bereit für einen Neuanfang?
Sri Lanka steht an einem Wendepunkt: Wird es bei der Präsidentenwahl einen wirklichen politischen Wechsel geben? Die Wirtschaftslage hat sich unter dem Interimspräsidenten leicht verbessert, doch nicht alle sind überzeugt.
Hunderte Menschen haben sich am späten Mittwochabend auf dem Platz in einem Wohnviertel in Colombo versammelt und schauen zur Bühne. Einige halten Plakate mit ihrem Kandidaten in die Luft: Ranil Wickremesinghe. Der 75-Jährige war viele Jahre Mitglied der liberal-konservativen United National Party. Nach den Protesten vor zwei Jahren hat er Sri Lanka bis jetzt als Interimspräsident geführt. Nun tritt Wickremesinghe als unabhängiger Kandidat an.
Bis Mittwoch um Mitternacht durften die Wahlveranstaltungen noch laufen. Auch Isuru Hewage war es wichtig, an diesem Abend noch einmal seine Unterstützung zu zeigen. Der 31-Jährige hat studiert, doch er findet keine Arbeit und hält sich mit Nachhilfeunterricht über Wasser.
Er hofft, dass Wickremesinghe die Wahl gewinnt: "Wir müssen eine Führungspersönlichkeit finden, die die derzeitigen wirtschaftlichen Probleme des Landes lösen kann."
Proteste vor zwei Jahren
Er selbst ist vor zwei Jahren zusammen mit Tausenden Menschen auf die Straße gegangen. Sri Lanka hatte Jahre von Misswirtschaft hinter sich, war hoch verschuldet und stand kurz vor dem wirtschaftlichen Kollaps. Die Inflation schoss auf bis zu 70 Prozent in die Höhe.
Viele mussten ihr Erspartes aufbrauchen und ihren Schmuck verkaufen, um über die Runden zu kommen. Lebensmittel waren plötzlich extrem teuer, Menschen mussten tagelang für Benzin und Gas zum Kochen anstehen. Medikamente wurden knapp. Es kam ständig zu Stromausfällen.
Am Ende stürmten die Demonstranten die Residenz des damaligen Präsidenten Gotabaya Rajapaksa und sprangen in den Pool - die Bilder gingen um die Welt. Der Präsident floh ins Exil.
Internationales Rettungspaket
Inzwischen hat sich die wirtschaftliche Lage etwas verbessert - ermöglicht durch ein Hilfspaket des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von knapp drei Milliarden US-Dollar. Die Preise sind zwar gesunken, bleiben aber immer noch hoch. Wickremesinghe habe die richtigen Maßnahmen getroffen, meint Isuru Hewage: "In den letzten zwei Jahren blieb die Lage stabil. Das wurde durch das richtige Management erreicht, dadurch hat sich auch mein Leben verbessert."
Stimmung gegen die Elite
Doch auf der Gegenkundgebung von Sajith Premadasa, dem Kandidaten der größten Oppositionspartei SJB, hört man andere Töne. Marketing-Unternehmer Roshan de Saram hat beiden Ansprachen genau zugehört. Für ihn ist Wickremesinghe Teil des alten Systems und der korrupten Elite des Landes. Der Sozialdemokrat Premadasa dagegen setze sich für die Mittelschicht ein, wolle die Steuern senken.
"Ich würde auf jeden Fall für jemanden stimmen, der meine Unternehmensziele vorantreibt und der mir hilft, erfolgreich zu sein", sagt de Saram und fügt hinzu: "Wenn ich in Sri Lanka eine unberechenbare wirtschaftliche Lage vorfinde und nicht wachsen kann, dann sehe ich mich doch nach einem Absatzmarkt in Übersee um."
Der 51-Jährige entschied sich bewusst dazu, in Sri Lanka zu bleiben. Doch seine Kinder hätten internationale Abschlüsse und sähen in ihrer Heimat keine berufliche Perspektive. Sie wollten ins Ausland. Viele junge Menschen würden in den Emiraten arbeiten oder in Europa. Und dagegen müsse die Politik etwas tun.
Knapper Wahlausgang erwartet
Umfragen zufolge sind viele Wählerinnen und Wähler noch unentschlossen. Manche vermuten ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Premadasa und dem Kandidaten der marxistischen NPP-Partei, Anura Dissanayake. Einem weiteren Kandidaten hingegen werden keine Chancen angerechnet: Namal Rajapaksa, Neffe des zurückgetretenen Präsidenten Gotabaya.
Den meisten Wählerinnen und Wählern gehe es bei ihrer Entscheidung vor allem um die wirtschaftliche Lage, sagt Bhavani Fonseka vom Centre for Policy Alternatives, einem unabhängigen Think Tank. "Das Rettungspaket des Internationalen Währungsfonds umfasst verschiedene Bereiche. Und das haben viele Menschen zu spüren bekommen - etwa durch höhere Steuern."
So hätten viele zum Beispiel gesehen, dass Wickremesinghe strenge Sparmaßnahmen eingeführt habe. "Und das ist auf großen Widerstand gestoßen. Die Opposition hingegen verspricht hier Besserung."
Wirtschaftliche Reformen notwendig
Die größte Herausforderung für die nächste Regierung von Sri Lanka sieht Fonseka vor allem in einer wirtschaftlichen Reform des verschuldeten Landes. Außerdem müsste die Korruption bekämpft und 15 Jahre nach Ende des Bürgerkriegs echte Versöhnung angegangen werden.
Auch für Menschenrechtsaktivist Jehan Perera geht es bei der Wahl vor allem darum, die Wirtschaft wieder aufzubauen. "Dies sind ganz entscheidende Wahlen mit hohen Erwartungen, Vorfreude aber auch Spannungen, denn Sri Lanka hat die große Wahl zwischen Kontinuität und Wandel - und der könnte radikal ausfallen." Die Menschen hätten ihr Vertrauen in die politische Elite verloren. Und das müsse jetzt wiederhergestellt werden.
Etwa 17 Millionen Menschen sind in Sri Lanka wahlberechtigt. Mit einem Ergebnis der Wahl wird am Sonntag im Laufe des Tages gerechnet.