Kauf des Fußballclubs Was wollen die Saudis in Newcastle?
Der Kauf des englischen Clubs Newcastle United durch Saudi-Arabien spaltet die Fans. Hofft die Mehrheit auf große Erfolge, fragen sich andere, was dahintersteckt. Denn die Saudis scheinen weitere Ziele zu haben.
Über den Club spricht in Newcastle fast jeder - die meisten voller Stolz. Das war bis vor anderthalb Jahren, bevor die Saudis 80 Prozent übernommen haben, völlig anders. Die Mannschaft aus der Premier League war nichts, womit man in Newcastle angeben konnte. Zu trostlos die Auftritte, zu gering die Punkteausbeute.
Dabei ist Newcastle United ein Fixpunkt. Das Stadion liegt im Herzen der Stadt. Von vielen Orten in Newcastle aus ist das Stadiondach zu sehen. Die Leute sind fußballverrückt.
Mehr als 300 Millionen Euro haben die neuen Besitzer in Spieler investiert, die zu den Besten ihrer Zunft gehören. Und Newcastle gehört mit ihnen plötzlich auch zu den Besten in der Liga. Nun träumen sie in der Stadt von Trophäen, die bald gewonnen werden könnten. Genau das haben die neuen Besitzer gewollt. Die Herzen der Menschen zu erobern. Allerdings nicht aus romantischen Gründen - ihre Motive sind andere.
Käufer ist der saudische Staatsfonds
Newcastles Fußballclub gehört faktisch dem saudischen Staat. Offiziell hat der Public Investment Fund des Landes, kurz PIF, die Anteile gekauft. Es ist der Staatsfonds Saudi-Arabiens, kontrolliert vom Herrscher und Kronprinzen Mohammed bin Salman, der ihm persönlich vorsteht. Minister bekleiden wichtige Ämter. Staatseinnahmen fließen in den Fonds.
Denn PIF hat einen Spezialauftrag. Er soll den Wohlstand des Wüstenstaates sichern. Noch sprudelt das Öl, das Saudi-Arabien zu immensem Reichtum verholfen hat. Aber das Ende der Vorkommen ist am fernen Horizont sichtbar. PIF investiert daher kräftig in der Heimat und weltweit.
Uber ist im Portfolio, Starbucks oder Disney. Laut eigenen Angaben stecken knapp 600 Milliarden Euro im Staatsfonds. Bis zum Ende des Jahrzehnts ist das Doppelte das Ziel. Yasir Al-Rumayyan ist der Kopf von PIF. Auf den Wirtschaftsgipfeln in Riad, die jährlich veranstaltet werden, spricht er gerne über die Strategie: Er wolle in die echte Wirtschaft investieren, in Immobilien, Transport, erneuerbare Energien, weniger in den Finanzsektor.
Saudische Monarchie will ihr Image verbessern
Saudi-Arabien aber hat ein Problem, das ihm gewisse Grenzen setzt - und das ist der eigene Ruf. Amnesty International weist regelmäßig auf die schlechte Menschenrechtssituation im Wüstenstaat hin. Kronprinz bin Salman steht im Verdacht, den Auftrag zum Mord an Regimekritiker Jamal Khashoggi gegeben zu haben. Er bestreitet das, aber mutmaßlicher Staatsterrorismus ist nicht gut, wenn man international nach Geschäftspartnern sucht.
Im Staatsfernsehen hat bin Salman jüngst Einblicke gegeben, wie er das ändern will. Man brauche Einfluss, um seine Ziele zu erreichen, sagt er dort: "Nehmen wir unseren Public Investment Fund als Beispiel. Wenn man Einfluss hat in der Welt, ein gutes Ansehen, dann wird die Welt offener sein für unsere Investitionen." Und daraus würden sich wieder neue Möglichkeiten ergeben.
Newcastle passt in die Softpower-Strategie
Die englische Stadt Newcastle spielt bei alldem offenbar eine wichtige Rolle. Hier wird die Strategie von Kronprinz bin Salman deutlich. Seine Worte wirken wie auf Newcastle zugeschnitten. Al-Rumayyan, der PIF-Stratege, ist persönlich der Chef von Newcastle United. Das sagt schon vieles.
Er hat nicht nur in die Mannschaft investiert, sondern auch ein Grundstück vor dem Stadion gekauft. "Dort soll eine Fanzone entstehen", erzählt Aaron Stokes, der für die Lokalzeitung "The Chronicle" schreibt. Zudem haben die Besitzer die zentrale Fankneipe in "Shearer" umbenannt, nach dem Fußballstar und Idol der Fans. Und umgerechnet 170.000 Euro an die Tafel gespendet. Beides habe "ein unglaublich positives Echo" hervorgerufen.
In Newcastle protestiert eine Fangruppe mit Verweis auf die Menschenrechtsverletzungen regelmäßig gegen die saudischen Eigner. Angesichts der guten Taten in Newcastle dringen sie aber immer weniger durch. Damit ist geschafft, was sich Kronprinz bin Salman wünscht. Der Ruf ist aufpoliert.
Nächstes Ziel: Immobilien- und Technologie-Investitionen
Das ist aber wohl nur Phase eins. Denn Newcastle sei nicht zufällig ausgesucht worden, glaubt der Sport- und Wirtschaftswissenschaftler Simon Chadwick. Tatsächlich benötigt die Stadt dringend Investitionen in Wohnraum. Mitarbeiter mögen nicht zitiert werden, aber sie verweisen auf eine ganze Reihe an Bauland in bester Lage, Filetstücke.
Hier den Zuschlag zu bekommen, ist schwieriger, als Anteile von Uber oder Disney zu erwerben. "Natürlich braucht man zum Kauf keinen Fußballverein", sagt Chadwick. Das ginge auch durch normale Kanäle, doch die seien bürokratisch. "Es ist viel einfacher zu sagen: Kommt Samstag zum Spiel." Dort würden dann Beziehungen aufgebaut und man könne eine Menge beeinflussen.
Zudem will Newcastle sich als Standort für Zukunftstechnologien im Bereich erneuerbare Energien etablieren. Auch das ist Teil der saudischen Strategie. Er erwarte demnächst Investitionen in die Branche aus dem Land, sagt Chadwick.
VAE kauften sich in Manchester ein
Wie hilfreich es ist, einen Fußballclub zu besitzen, wenn man auch an der Stadt und dem Umland interessiert ist, lässt sich in Manchester beobachten. Dort haben die Vereinigten Arabischen Emirate Manchester City gekauft - und zuletzt 1600 moderne Wohnungen in bester Lage gebaut. Hohe Mieteinnahmen in den nächsten Jahren gelten als garantiert.
Eine Gruppe Wissenschaftler der Universität Sheffield hat sich den Deal mit der Stadt angesehen und wundert sich, wie billig sie das Land an die Eigner von Manchester City abgegeben hat. "Da ist Tafelsilber verscherbelt worden", sagt Richard Goulding, einer der Wissenschaftler. Er wundert sich auch, wie intransparent der ganze Deal abgelaufen sei. Die Stadt weist die Vorwürfe mit dem Hinweis auf die gute Partnerschaft von sich. Neue Projekte sind schon angestoßen.
In Newcastle ist Ähnliches zu erwarten, womöglich sogar in noch größerem Stil. Auch, weil Fußballclubs eine große Strahlkraft haben wenn sie erfolgreich sind, nicht nur in der Stadt, auch landesweit, manchmal sogar weltweit. Und so beschränkt sich die Strategie von Saudi-Arabien auch nicht nur auf Newcastle.
Oder, wie es Kronprinz bin Salman formuliert hat: "Durch einen guten Ruf, das Ansehen als Impulsgeber, ergeben sich neue Möglichkeiten." Newcastle könnte somit Katalysator für die großangelegte, weitere Expansionsstrategie sein.