Nach Terror-Vorwürfen Wie geht es weiter mit dem Palästinenserhilfswerk?
Nach den Terror-Vorwürfen gegen mehrere Mitarbeiter des UN-Palästinenserhilfswerks wächst die Sorge um die Zukunft der Organisation. Experten warnen vor einem Finanzierungsstopp, fordern aber auch eine klare Aufarbeitung.
Vorwürfe gegen das Palästinenserhilfswerk UNRWA gab es schon oft. Diese hier könnten die Existenz der humanitären Organisation bedrohen, fürchten einige. Generalsekretär Guterres sei in großer Sorge, so sein Sprecher Stephane Dujarric im täglichen Briefing in der UN-Zentrale.
"Die Aussichten für UNRWA und die Millionen Menschen, für die das Hilfswerk sorgt, sind sehr trübe - nicht nur im Gazastreifen, sondern auch in Ost-Jerusalem, der Westbank, in Jordanien, dem Libanon und Syrien", sagte Dujarric.
Guterres verspricht rückhaltlose Aufklärung und Konsequenzen
Nach den Anschuldigungen durch den israelischen Geheimdienst legten bereits über 15 Länder ihre Finanzhilfe für UNRWA auf Eis - darunter die USA und Deutschland. Die "New York Times" und andere US-Medien zitierten aus dem Dossier, das der Regierung in Washington vorliegt.
Danach soll ein UNRWA-Mitarbeiter direkt an der Entführung einer Frau aus Israel beteiligt gewesen sein. Ein anderer soll an einem Massaker in einem Kibbuz mitgewirkt haben. Ein Dritter soll für die Terrororganisation "Islamischer Dschihad" eine "Operationszentrale" eingerichtet haben. Die Beschuldigten sollen teils als Lehrkräfte oder Sozialarbeiter gearbeitet haben.
Doch sie wären nur ein kleiner Teil von einer weit größeren Gruppe von Islamisten, die unter den 13.000 UNRWA-Mitarbeitenden im Gazastreifen sein würden. UN-Chef Guterres versprach eine rückhaltlose Aufklärung und Konsequenzen. Doch er bat eindringlich darum, das Hilfswerk aus humanitären Gründen weiter zu finanzieren, so Dujarric: "Es geht nicht darum, dass das Hilfswerk in Gefahr ist. Es geht vielmehr um das Leben der Menschen, die an ihm hängen."
Hilfsorganisationen appellieren in Brandbrief
Rund zwei Millionen Palästinenser im bombardierten Gazastreifen sind auf die Hilfe von UNRWA angewiesen. 20 Internationale Hilfsorganisationen - von der Caritas über die Johanniter bis zu den Ärzten ohne Grenzen - appellierten in einem Brandbrief an die Geberstaaten: Sie sollten die lebensrettende Arbeit des Hilfswerks nicht gefährden - von dem bereits über 150 Mitarbeitende selber dem Krieg zum Opfer gefallen sind.
Es sei ein Fehler, UNRWA gerade jetzt den Geldhahn abzudrehen, sagt auch UN-Beobachter Richard Gowan vom Thinktank Crisis Group: "Ich denke, die internationalen Geber sollten abwägen und UNRWA weiter unterstützen", so Gowan. Andernfalls werde die Entscheidung große humanitäre Konsequenzen haben. "Auf der anderen Seite ist es auch wichtig, dass die Geber darauf bestehen, dass diese Anschuldigungen restlos aufgeklärt werden."
Er sei nicht übermäßig überrascht über den aktuellen Skandal, sagt Gowan - angesichts der Zahl der Mitarbeitenden von UNRWA in Gaza, und der Tatsache, "wie eng sie über Jahre mit der Hamas kooperieren mussten. Das war fast unausweichlich, dass es auch Illoyalität innerhalb des Hilfswerks gab."
Experte: UNRWA spielt wichtige Rolle in Zukunft Gazas
Dennoch: Die Anschuldigungen seien furchtbar, und sie würden das tiefe Misstrauen Israels in die UN mit Sicherheit noch verstärken. Im Zuge einer gründlichen Aufklärung würden vermutlich noch ganz andere Dinge ans Licht kommen, meint der langjährige Beobachter. Dennoch ist sich Gowan sicher: UNRWA behält seine wichtige Stellung in der Region.
"Wir wissen nicht, wie die Sicherheitslage sein wird, wenn dieser Krieg einmal vorbei ist", so Gowan. "Unwahrscheinlich, dass UN-Blauhelme dafür sorgen. Aber es ist realistisch anzunehmen, dass die UN eine große Rolle beim Wiederaufbau des Gazastreifens spielen wird."
In diesem Fall komme sie nicht am Palästinenserhilfswerk mit all seiner Erfahrung und Infrastruktur vorbei. Das Mandat von UNRWA müsste dann womöglich noch reformiert werden. Und Gowan denkt: Die Finanzierung müsste dann sogar noch einmal hochgeschraubt werden.