Krieg in Nahost Israel stimmt für Feuerpause und Vereinbarung zu Geiseln
Israels Kabinett hat einer mehrtägigen Feuerpause sowie dem Austausch von Geiseln gegen palästinensische Häftlinge zugestimmt. Mindestens 50 Frauen und Kinder könnten in den kommenden Tagen freikommen.
Das israelische Kabinett hat in der Nacht eine Feuerpause im Krieg gegen die Hamas gebilligt. Eine Vereinbarung sieht vor, dass die militant-islamistische Gruppe innerhalb von vier Tagen etwa 50 der rund 240 Geiseln freilässt, die sie bei ihrem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober in den Gazastreifen verschleppt hatte. Die Waffenruhe ermögliche auch humanitäre Hilfe für den Gazastreifen.
"Die Regierung hat die Grundzüge der ersten Phase eines Abkommens gebilligt, das die Freilassung von mindestens 50 Entführten - Frauen und Kinder - an vier Tagen vorsieht, an denen die Kämpfe ruhen werden", hieß es in der Mitteilung aus dem Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu.
Israelischen Medien zufolge soll es sich bei den Geiseln um 30 Kinder, acht Mütter sowie zwölf ältere Frauen handeln. Alle sollen die israelische Staatsbürgerschaft haben. Israel entlässt seinerseits nach Angaben des vermittelnden Emirats Katar eine noch unbestimmte Zahl Palästinenser aus israelischen Gefängnissen; die Hamas sprach von 150 Frauen und Minderjährigen. "Medien zufolge sollen keine Häftlinge freigelassen werden, die wegen Mordes verurteilt wurden. Neben Katar vermittelten auch Ägypten und die USA den Deal.
Verlängerung der Feuerpause möglich
Informationen der "Times of Israel" zufolge sollen die freizulassenden palästinensischen Häftlinge in die jeweilige Stadt oder Ortschaft zurückkehren, "in der sie vor ihrer Inhaftierung lebten, einschließlich im Westjordanland und in Ost-Jerusalem". 287 der 300 inhaftierten Palästinenser, die für eine Entlassung in Frage kommen, sind demnach junge Männer bis 18 Jahre.
Der Fernsehsender Channel 12 berichtete, israelische Krankenhäuser seien auf die Ankunft der Entführten vorbereitet worden. Sie sollen demnach aus dem Gazastreifen über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten und von dort mit Hubschraubern nach Israel gebracht werden. Die Vereinbarung soll auch eine mögliche Verlängerung der Feuerpause vorsehen. Pro Tag müsste die Hamas dann jeweils zehn weitere Geiseln freilassen. Israel geht davon aus, dass so insgesamt 80 Geiseln freikommen könnten.
Für jeweils zehn freigekommene Geiseln werde die Kampfpause um einen weiteren Tag verlängert. Zuerst sollen den Angaben zufolge Frauen und Kinder freigelassen werden. Der Beginn der Feuerpause soll innerhalb der nächsten 24 Stunden bekannt gegeben werden, erklärte das katarische Außenministerium. Während der Feuerpause sollen nach Angaben der Hamas im Süden des Küstenstreifens die israelischen Flugbewegungen komplett eingestellt werden und im Norden täglich für sechs Stunden.
Die Vereinbarung, die israelischen Medienberichten zufolge am Donnerstag in Kraft treten wird, sieht deutlich mehr humanitäre Hilfslieferungen vor: So würden 300 Lkw pro Tag humanitärer und medizinischer Hilfe sowie Treibstoff anliefern.
Netanyahu: "Werden Krieg fortsetzen"
Vor der Bekanntgabe der Einigung sagte Netanyahu, US-Präsident Joe Biden habe geholfen, das vorläufige Abkommen zu verbessern, so dass es mehr Geiseln und weniger Zugeständnisse umfasse. Die allgemeine Mission Israels habe sich jedoch nicht geändert. "Wir befinden uns im Krieg und wir werden ihn fortsetzen, bis wir alle unsere Ziele erreicht haben. Die Hamas zu zerstören, alle unsere Geiseln zurückzubringen und sicherzustellen, dass keine Gruppierung in Gaza Israel bedrohen kann", sagte er in einer aufgezeichneten Botschaft zu Beginn der Regierungssitzung.
Auch während der Feuerpause werde man weiter geheimdienstliche Erkenntnisse sammeln, damit sich die Streitkräfte auf die nächsten Kriegsphasen vorbereiten könnten, erklärte Netanyahu. Hardlinern im Kabinett versicherte er, dass die Kampfpause rein taktisch sei.
Die Hamas sprach ebenfalls davon, die Hände "weiter am Abzug" zu haben. Unterdessen gab es am Morgen im Grenzgebiet zu Israel erneut Raketenalarm, wie das israelische Militär auf Telegram mitteilte.
Katar: Rotes Kreuz überwacht Freilassung der Geiseln
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) wird nach Angaben von Vermittler Katar die Freilassung der Geiseln überwachen. "Es wird eine intensive Zeit, in der wir rund um die Uhr in direktem Kontakt mit dem IKRK und den beiden Parteien stehen werden, um sicherzustellen, dass die Freilassung der Geiseln perfekt läuft", sagte der katarische Staatsminister im Außenministerium, Mohammed Al-Khulaifi.
Die Waffenruhe bedeute, dass es "keine Angriffe geben wird. Keine militärischen Bewegungen, keine Expansion, nichts". Katar hoffe, dass die Vereinbarung "ein Samenkorn für ein größeres Abkommen und einen dauerhaften Waffenstillstand sein wird. Das ist unsere Absicht."
US-Regierung gibt Details über Verhandlungen mit Hamas bekannt
Die US-Regierung gab unterdessen in der Nacht Details über das Zustandekommen des Abkommens bekannt. Den Informationen des Weißen Hauses zufolge hat Israel von Anfang an auf die Freilassung aller von der Hamas festgehaltenen Frauen und Kinder bestanden.
Die Hamas habe in den Verhandlungen zunächst unzureichende Informationen über festgehaltene Frauen und Kinder übermittelt, sagte ein US-Regierungsvertreter. Der Golfstaat Katar habe daraufhin deutlich gemacht, dass diese Informationen für eine Einigung nicht ausreichend seien. Kurz darauf habe die Hamas dann die Freilassung von 50 Frauen und Kindern zugesagt und eine entsprechende Liste vorgelegt. Die US-Regierung geht allerdings davon aus, dass unter den Geiseln weitere Frauen und Kinder sind.
Zwischenzeitlich soll die Hamas den US-Angaben nach die Verhandlungen unter Vorgabe "verschiedener Ausreden" abgebrochen haben. Schließlich seien die Gespräche aber wieder aufgenommen worden. "Die Vereinbarung wurde letztendlich so strukturiert, dass sie Anreize für die Freilassung von mehr als 50 Geiseln bietet", sagte der US-Vertreter.
Mit Informationen von Clemens Verenkotte, ARD Tel Aviv