Human Rights Watch Raketenfehlschuss wohl Ursache für Explosion an Klinik
Human Rights Watch hat offenbar Hinweise darauf, dass eine fehlgezündete Rakete die wahrscheinliche Ursache für die Explosion im Al-Ahli-Krankenhaus in Gaza ist. Die Aussage basiert auf Foto- und Videomaterial sowie Zeugenbefragungen.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat die Explosion im Al-Ahli-Krankenhaus im Gazastreifen am 17. Oktober mit vielen Toten und Verletzten untersucht und erste mögliche Schlussfolgerungen dazu veröffentlicht. Nach Auswertung von öffentlich verfügbaren Fotos und Videos, Satellitenbildern sowie Interviews mit Zeugen und Experten will die Organisation Hinweise gefunden haben, "dass scheinbar raketengetriebene Munition, wie sie üblicherweise von palästinensischen bewaffneten Gruppen eingesetzt wird, das Krankenhausgelände traf".
Die Fernanalyse der Organisation bewertete demnach die Explosion und den Schaden vor Ort sowie mehrere mögliche Flugbahnen der Objekte, die auf zum Zeitpunkt des Angriffs aufgenommenen Videos sichtbar waren und auch die Momente vor und nach der Explosion im Krankenhaus zeigten.
Bisher keine Untersuchungen vor Ort möglich
Bei der Explosion wurden laut der von der radikal-islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde in Gaza Hunderte Menschen getötet und verletzt. HRW erklärte, man sei nicht in der Lage, diese Zahlen zu bestätigen. Sie lägen aber deutlich höher als andere Schätzungen und erschienen in keinem Verhältnis zu den vor Ort sichtbaren Schäden, hieß es weiter.
Human Rights Watch wies in dem Bericht jedoch darauf hin, dass weitere Untersuchungen erforderlich seien, um festzustellen, "wer die scheinbare Rakete abgefeuert hat und ob gegen das Kriegsrecht verstoßen wurde". Zudem seien keine öffentlich zugänglichen Bilder von Munitionsresten bekannt. Die Menschenrechtsorganisation beklagte, dass die Behörden im Gazastreifen offenbar im Besitz von Überresten seien, die bei der endgültigen Bestimmung der im Al-Ahli-Krankenhaus explodierten Munition helfen könnten. Doch bisher seien diese nicht zugänglich gemacht worden. Human Rights Watch zufolge konnte der Tatort von der Organisation selbst nicht besichtigt werden, was eine schlüssige Identifizierung der Munition bislang verhindere.
Allerdings stimmten das der Explosion vorausgehende Geräusch, der sie begleitende Feuerball, die Größe des entstandenen Kraters und die Art und das Muster der um den Krater herum sichtbaren Fragmentierung mit dem Einschlag einer Rakete überein, so Human Rights Watch. Die bisherigen vorliegenden Beweise machten die Möglichkeit einer großen Luftbombe, wie sie Israel in großem Umfang in Gaza eingesetzt hat, demnach höchst unwahrscheinlich. "Das israelische Militär hat seit dem 7. Oktober Tausende solcher Bomben im gesamten Gazastreifen abgeworfen", schrieb Human Rights Watch.
Westliche Geheimdienste stützen Israels Aussagen
Die Explosion im Al-Ahli-Krankenhaus löste weltweit Empörung aus. Die Palästinenser machen einen israelischen Luftangriff dafür verantwortlich.
Israel erklärte dagegen, die Explosion sei durch einen fehlgeleiteten palästinensischen Raketenabschuss verursacht worden. So verkündete der Account der israelischen Armee (IDF) auf dem Kurzmitteilungsdienst X (früher Twitter), dass "ein misslungener Raketenabschuss der Terrororganisation Islamischer Dschihad" das Al-Ahli-Krankenhaus in Gaza-Stadt traf. Das israelische Militär veröffentlichte Luftaufnahmen, Mitschnitte und Videos, die das belegen sollen.
Auch mehrere westliche Geheimdienste stützen die Version Israels einer fehlgeleiteten Rakete, darunter auch britische Geheimdienste. Großbritannien hatte bereits eine Woche nach der Explosion Erkenntnisse, wonach sie wahrscheinlich durch eine palästinensische Rakete verursacht worden war. Die britische Regierung komme auf der Grundlage einer Analyse des Geheimdienstes zu dem Schluss, dass die Detonation "wahrscheinlich von einer Rakete oder einem Teil davon verursacht wurde, die aus dem Gazastreifen gegen Israel abgefeuert wurde", wie der Premierminister Rishi Sunak am 23. Oktober erklärt hatte.
Auch sogenannte OSINT-Experten, die mit öffentlich zugänglichen Quellen (Open Source Intelligence) wie Bildmaterial aus sozialen Netzwerken oder Online-Kartendiensten arbeiten, versuchten daraufhin, die von der IDF angeführten Beweise zu verifizieren. Auch sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Version der israelischen Armee sehr wahrscheinlich ist.