Blick auf Forest City (Malaysia)
weltspiegel

Malaysia Milliarden-Projekt wird zur Geisterstadt

Stand: 13.10.2024 08:29 Uhr

Forest City sollte eine grüne, futuristische Megastadt werden - und eine Alternative zum teuren Singapur. Doch das Projekt chinesischer Investoren in Malaysia scheint gescheitert. Was ist schiefgelaufen?

Von Johannes Edelhoff, ARD Singapur

Tan Kin Lian genießt das Panorama vom Balkon seines Neubau-Apartments im 24. Stock. Die Aussicht ist spektakulär: Begrünte moderne Hochhäuser, ein unverbauter Blick aufs Meer - auf die Straße von Johor im Südchinesischen Meer. Doch es wirkt auch wie aus einem Endzeitfilm: Kein Auto fährt über die Straßen, kein anderer Mensch ist auf einem der zahllosen Balkone zu erkennen.

Forest City im Bundesstaat Johor in Malaysia ist kaum bewohnt. "In dieser Wohnung, auf dieser Etage, bin ich der einzige Bewohner", sagt der Rentner aus Singapur Tan Kin Lian.

Alle acht anderen Wohnungen stehen leer, wie fast das gesamte Haus. Auch Tan ist nur zwei bis drei Tage die Woche hier, sonst lebt er in Singapur.

Von Investoren erst überrannt ....

Im Jahr 2016 präsentierte der größte chinesische Immobilienentwickler, Country Garden, das ehrgeizige Mega-Projekt Forest City an der Küste von Johor, Malaysia. Die Vision: eine grüne Metropole mit Golfplatz, Wasserpark, Büros, Bars und Restaurants, die fast eine Million Menschen beheimaten sollte.

Direkt neben Singapur entstand der Traum einer zweiten Metropole auf der anderen Seite der Bucht. Ein Zufluchtsort für die, denen Singapur zu eng oder zu teuer geworden ist. Sultan Ibrahim Ismail von Johor - inzwischen für fünf Jahre zum König Malaysias gewählt - beteiligte sich über eine Firma an dem Projekt.

Inmitten des chinesischen Immobilienbooms flossen riesige Summen in das Vorhaben. Die anfängliche Euphorie rund um das Projekt war groß.

Jeden Tag seien 17 Busse voll mit potenziellen Käufern aus China gekommen, erinnert sich der Immobilienhändler Samuel Tan. "Anfangs war das Projekt sehr erfolgreich, da viele Chinesen hierherkamen, um zu investieren", berichtet er.

Blick auf Forest City (Malaysia)

Günstiger und grüner wohnen - zudem nah bei Singapur gelegen: Das Konzept von Forest City lockte viele Investoren an.

... und dann fallengelassen

Doch dann änderte sich alles: Mit einem neuen Gesetz beschränkte China den Geldfluss ins Ausland, was den Investitionsstrom abrupt kappte. Seitdem geht es mit Forest City bergab. "Immer wenn zu viele Ausländer eine Stadt kaufen, bleibt sie leer. Man nennt sie Geisterstadt, weil die Leute nur zu den Feiertagen hierherkommen und sonst nicht hier wohnen", erklärt Tan weiter.

Der ehemalige Investment-Banker Eric Sim investierte in Johor in zwei Wohnungen. Er stammt aus Singapur und hatte sogar überlegt, dort hinzuziehen.

Heute bereut er den Kauf: "Das war die schlechteste Investition meines Lebens. Davor habe ich in Immobilien und Aktien investiert und war erfolgreich. Aber das hier hat meine Erwartungen weit verfehlt. Ich hätte nie gedacht, dass ich so viel Geld verlieren würde."

Sim finanzierte seine beiden Vier-Zimmer-Wohnungen über einen Bankkredit. Er investierte nach eigenen Angaben etwa drei Millionen malaysische Ringgit, etwa 640.000 Euro. Ihn überzeugte die Nähe zu Singapur, die internationale Schule, die dort errichtet wurde.

Aber die Stadt wurde nie die lebenswerte Metropole, die sie werden sollte, und auch die Verkehrsverbindungen wurden nicht ausreichend ausgebaut. Er konnte nie Mieter finden, die eine Miete zahlten, die ausreichte, um seinen Kredit zu finanzieren: "Ich habe dann beschlossen, meine Immobilie zu verkaufen. Selbst dort hinziehen wollte ich nicht mehr, also tat ich es auch nicht", sagt Sim: "2018 konnte ich nicht verkaufen und habe sechs Jahre gewartet. 2024 habe ich schließlich verkauft. Es war extrem schwer, einen Käufer zu finden." Sein Verlust sind etwa 500.000 Ringgit, etwa 100.000 Euro.

Die ökologischen Folgen - nachrangig

Für Umweltaktivistin Serina Abdul Rahman ist Forest City ein Albtraum: "Gotham City - das ist das Erste, was mir in den Sinn kommt. Es ist so surreal. Es gehört nicht hierher", sagt sie.

Besonders tragisch ist die ökologische Zerstörung: Für die künstlich aufgeschüttete Insel, auf der die Stadt errichtet wurde, wurden große Seegraswiesen zerstört. Diese Gebiete sind von entscheidender Bedeutung für die Fischpopulationen, da sie Brutstätten für viele Arten bieten. "Ohne Seegras gäbe es keine Fische und Meeresfrüchte", betont Abdul Rahman.

Sie hofft, dass der Leerstand die Pläne für weitere Inselaufschüttungen wie für Forest City stoppt: "Wenn sie die restlichen Inseln nicht bauen, kann sich die Natur noch erholen."

Blick auf eine Häuserwand mit begrünten Fassaden in Forest City (Malaysia)

Die Begrünung kann nicht darüber hinweg täuschen: Forest City ist vorerst weit hinter seinen Erwartungen zurückgeblieben.

Der letzte Anreiz: Kulisse für Realityshows

Heute leben statt der geplanten 700.000 Menschen nur 5.000 bis 10.000 in Forest City. Dennoch versucht die Stadt, Touristen anzulocken. Ein Wasserpark bietet zumindest einigen Besuchern eine Attraktion, und in der Hotelanlage gibt es tatsächlich ein paar Urlauber.

Doch viele kommen nur, weil der Alkohol hier steuerbefreit ist, Artikel in der Lokalpresse berichten von Problemen mit Betrunkenen. Auch als heimlicher Treffpunkt für Affären von Singapurern gilt die Stadt mittlerweile, doch langfristig wird das als Zukunftsmodell kaum ausreichen.

So dient die Stadt mittlerweile oft nur noch als TV-Kulisse - Netflix hat bereits die Realityshow "Der Maulwurf" in der menschenleeren Stadt gedreht. Die leeren Wohnhäuser wurden dabei zu Spielstätten. Ein letzter Hoffnungsschimmer für ein Projekt, das ursprünglich Milliarden verschlang, aber heute eher als Mahnmal für verfehlte Stadtplanung und ökologische Ignoranz steht.

Der einstige Bauträger von Forest City, die chinesische Immobilienfirma Country Garden, steckt inzwischen in der Krise. Der Handel mit ihren Aktien ist ausgesetzt, und der Kurs ist eingebrochen. Ob das Unternehmen überlebt oder nicht, die Zukunft von Forest City bleibt ungewiss.

Diese und weitere Reportagen sehen Sie im Weltspiegel - am Sonntag um 18.30 Uhr im Ersten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete der "Weltspiegel" im Ersten am 13. Oktober 2024 um 18:30 Uhr.