Parlamentswahl im Libanon Erfolge für Protestbewegung erwartet
Bei der Wahl im Libanon haben offenbar Vertreter der Protestbewegung den Einzug ins Parlament geschafft. Einen Dämpfer gab es für die Hisbollah. Experten befürchten nun eine Pattsituation im Parlament.
Im krisengeschüttelten Libanon wurde das erste Mal seit Beginn der verheerenden Wirtschaftskrise 2019 gewählt. Dabei hat die Protestbewegung laut Medienberichten Erfolge zu verzeichnen. Inoffiziellen Ergebnissen zufolge konnten auch andere Gegner der einflussreichen schiitischen Hisbollah zulegen. Der Block um die eng mit dem Iran verbündete "Partei Gottes" büßte hingegen einige Mandate ein und könnte die Parlamentsmehrheit verlieren.
Protestbewegung seit Massendemonstrationen
Den Berichten zufolge kamen die Regierungsgegner auf bis zu zehn Mandate im Abgeordnetenhaus, das insgesamt 128 Sitze zählt. Die Protestbewegung geht auf die Massendemonstrationen zurück, die im Herbst 2019 gegen die politische Führung des Mittelmeerlandes ausgebrochen waren. Ihre Vertreter und andere Oppositionelle wollen das Machtmonopol der Parteien brechen, die im Libanon seit Jahrzehnten herrschen.
Auch die mit dem iranischen Erzrivalen Saudi-Arabien verbündete Partei der Libanesischen Kräfte verzeichnete demnach Gewinne. Sie könnte die mit der Hisbollah verbündete Freie Patriotische Bewegung (FPM) von Präsident Michel Aoun als größte christliche Partei im Parlament überflügeln. Die Partei der Libanesischen Kräfte ist seit dem Ende des Bürgerkriegs vor 30 Jahren fester Bestandteil der Politik und hatte sich im Wahlkampf deutlich gegen die Hisbollah positioniert.
Beginn einer Veränderung?
"Die ersten Ergebnisse haben positive Überraschungen für die Opposition gebracht", sagte Maha Yahya, Leiterin des Carnegie Middle East Center in Beirut. Einige traditionelle Anführer hätten ihre Sitze verloren. "Das ist womöglich der Beginn einer Veränderung."
Experten befürchten nun eine noch größere Zersplitterung und eine Pattsituation im Parlament, in der sich die beiden großen rivalisierenden Lager blockieren könnten. Zudem dürfe künftig das sunnitische Saudi-Arabien größeren Einfluss im Libanon haben, nachdem bei der vorherigen Wahl 2018 noch der schiitische Iran seinen Einfluss ausbauen konnte.
Wahlbeteiligung gesunken
Das politische System des Libanon ist bestimmt durch ein fragiles Gleichgewicht zwischen den Konfessionen. Das Staatsoberhaupt ist immer ein Christ, der Regierungschef ein Sunnit und der Parlamentspräsident ein Schiit. Die schiitische Hisbollah genießt mit ihrer eigenen Miliz besonderen Einfluss und kontrolliert ganze Gebiete, unter anderem an der Grenze zu ihrem Erzfeind Israel.
In vielen Wahlbezirken lief die Auszählung noch. Offizielle Ergebnisse werden im Laufe des Tages erwartet. Nach Angaben des Innenministeriums sank die Wahlbeteiligung auf etwa 41 Prozent.
Schwerste Wirtschafts- und Finanzkrise
Der Libanon leidet seit mehr als zwei Jahren unter der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seiner Geschichte. Nach UN-Angaben leben rund drei Viertel der Menschen des Landes mittlerweile unter der Armutsgrenze. Im Alltag kämpfen sie mit Mangelversorgung. Die libanesische Währung hat mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren. Die Regierung kann ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen.
Die Massenproteste zogen 2019 Zehntausende Menschen auf die Straße. Die Demonstrationen richteten sich unter anderem gegen die weit verbreitete Korruption. Viele Menschen machen die seit Jahrzehnten regierenden etablierten Parteien für die schwere Krise des Landes verantwortlich. Kritiker sprechen von einer "Regierungsmafia", die sich allein selbst bereichere.
Potenzielle ausländische Geldgeber wie der Internationale Währungsfonds (IWF) fordern im Gegenzug für Finanzhilfe Reformen. Diese sind allerdings bisher ausgeblieben.
Es war auch die erste Parlamentswahl seit der Explosionskatastrophe im Hafen der Hauptstadt Beirut im August 2020. Damals kamen mehr als 190 Menschen ums Leben, etwa 6000 wurden verletzt. Die Detonation verwüstete große Teile des Hafens und umliegender Wohngebiete.